Was Denkt ist Ich (Teil 1) - Bewusstsein / Unterbewusstsein

Unser Gehirn ist ein faszinierendes Organ. Obwohl es nur aus einem Haufen Zellen besteht, die für sich allein genommen wenig bemerkenswert wären, ermöglicht es uns nicht nur Informationen zu verarbeiten und darauf zu reagieren, sondern schafft sogar ein Bewusstsein von dieser Außenwelt und darüber hinaus sogar die Fähigkeit, über das Denken selbst nachzudenken.

Schaut man sich den Aufbau des Gehirns an, ist kaum vorstellbar, wie das möglich sein soll. Die einzelnen Neuronen sind gewöhnliche Zellen im Körper, besonders nur dadurch, dass sie sich nicht mehr teilen und recht lange leben, während sie miteinander über die Synapsen mit anderen Zellen chemische Signale austauschen, die im Neuron selbst elektrisch weitergeleitet werden. Jedes Neuron ist mit vielen anderen Neuronen über Dendriten (Signalzuleitungen) und einem Axon (Signalweitergabe) verknüpft und allein in dieser Verknüpfung liegt das Geheimnis der Fähigkeiten unseres Verstandes.
 

Künstliche neuronale Netze sind noch weit davon entfernt, eine auch nur annähernd komplexe Struktur und Größe zu erreichen, so dass verständlich ist, dass sie zur Zeit nur kleine Teilaspekte nachbilden können. Ein wichtiger Teilaspekt ist aber beispielsweise die Aufmerksamkeitssteuerung, ohne die wir den auf uns einstürmenden Sinneseindrücken schutzlos ausgeliefert wären (was wahrscheinlich beim Autismus in unterschiedlichem Grade der Fall ist).

Man unterscheidet zwischen willentlicher und reflexartiger Aufmerksamkeitssteuerung, wobei im ersten Fall bewusst ein Objekt gesucht wird, während im zweiten Fall eine Eigenschaft des Objekts (z. B. Farbe, Helligkeit oder Bewegung) unsere Aufmerksamkeit erregt. Dabei sind unterschiedliche Mechanismen für diese beiden Aufmerksamkeitsformen verantwortlich, wobei die bewusste Suche sehr viel mehr Zeit (150 Millisekunden) in Anspruch nimmt.
 

Offensichtlich sinkt die Verarbeitungsgeschwindigkeit immer dann beträchtlich, wenn wir das Bewusstsein bemühen müssen, um einen kognitiven Vorgang zu begleiten. Das ist auch verständlich, denn während einfache Prozesse, die nur aus Reiz und Reaktion bestehen, sehr schnell ausgeführt werden können (eine heiße Herdplatte führt praktisch zum sofortigen Zurückziehen der Hand) fordert es dem Bewusstsein viel Arbeit ab, einen Vorgang zu begleiten. So kann es passieren, dass wir beim Zuziehen der Haustür merken, dass wir den Schlüssel vergessen haben, aber das Signal die Bewegung zu stoppen, kommt viel zu spät, um das Zuschlagen der Tür zu verhindern.
 

Das Bewusste erleben sowie das Verarbeiten von Informationen ist aber nicht nur hinderlich, sondern befähigt den Menschen in einzigartiger Weise auf veränderte Umgebungsbedingungen zu reagieren, denn statt auf Reflexe angewiesen zu sein, die entweder trainiert oder angeboren sind und dann kaum noch verändert werden können, ermöglicht es dass Bewusstsein Sinneseindrücke auszuwerten und mit dem Nachdenken darüber Lösungswege zu finden, die sich zuvor nicht in unserem Handlungsrepertoire befunden haben.

So gesehen ist unser Bewusstsein ein Werkzeug unseres Unbewussten, das Probleme, mit denen es automatisch nicht fertig wird, hierhin delegiert, um sie einer genaueren Untersuchung unterziehen zu können.
 

Wenn man die Welt so betrachtet, könnte man zu dem Schluss kommen, dass ein freier Wille überhaupt nicht existieren kann, wenn unsere bewusste Wahrnehmung nur eine Hilfslösung des Unterbewussten ist, wenn es nicht weiterkommt, und tatsächlich scheinen Untersuchungen diese Sichtweise zu bestätigen, die belegen, dass Handlungen schon vorbereitet werden, bevor sich unser Bewusstsein der Entscheidung gewahr wird. Doch diese Sichtweise greift etwas zu kurz, da sie unser Ich auf seine bewusste Komponente reduziert und die darunter liegenden Bereiche als mechanische Automatismen abtut, die nicht Teil unseres Selbst sind, sondern quasi zu einem unserem Ich entfremdeten Körper gehören, den das Ich nur als Beifahrer begleitet (der hin und wieder mal die Karte lesen darf und nach dem Weg gefragt wird).
 

Überlegt man sich allerdings, dass Unterbewusstsein und Bewusstsein eine Einheit bilden, in welcher das Unbewusste einen Großteil der Arbeit erledigt - Informationen filtert (und damit überhaupt erst die Kapazitäten frei räumt, die wir zum Überlegen und Nachdenken brauchen), Reflexe ablaufen lässt (weil wir uns sonst viel häufiger die Finger verbrennen würden) und Entscheidungen vorbereitet (nur weil wir uns der Entscheidung erst nachher bewusst werden und sie dann auch erst begründen, muss das nicht heißen, dass nicht gerade diese Begründungen schon unbewusst zu eben dieser Entscheidung geführt haben).

Bewusstsein und Unterbewusstsein bilden also eine Einheit und das eine wäre ohne das andere nur sehr eingeschränkt funktionsfähig. Deshalb ist es auch gar nicht immer verkehrt, hin und wieder mal auf sein Bauchgefühl zu vertrauen, denn dass ist möglicherweise nur das Unterbewusstsein, dem viel mehr Informationen zur Verfügung stehen und das deshalb womöglich in manchen Situationen viel besser geeignet ist, Entscheidungen zu treffen, wie unser von anderen Dingen abgelenktes Bewusstsein.
 

Das soll aber kein Plädoyer dafür sein den Verstand abzuschalten, denn irgendwoher muss das Unterbewusstsein ja auch wissen, was das Ich möchte - die Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Schauen wir uns noch mal die Reflexe an, so gab es da auch diejenigen, die antrainiert sind, wie zum Beispiel beim Kampfsport. Man trainiert Bewegungsabläufe als Reaktion auf äußere Reize (den Angriff des Gegenübers) bis sie nicht mehr bewusst (und damit langsam) koordiniert werden müssen, sondern als Bewegungsablauf unbewusst zur Verfügung stehen und damit schnell und automatisch abgerufen werden können. Auf diese Weise ist ein bewusster Vorgang an das Unterbewusstsein übergeben worden, dass sich von nun an darum kümmern kann (was es ja bei Automatismen viel besser kann). Diesen Lernprozess lassen wir ständig in immer neuen Situationen ablaufen, ob wir nun lesen und schreiben lernen, uns eine Kampftechnik aneignen oder einen Beruf erlernen.
 

Im Laufe unseres Lebens bringen wir uns selbst bei, wie wir in unterschiedlichen Situationen reagieren, und genau das tun wir dann oft, ob uns das gefällt oder nicht. Wenn wir deshalb aber behaupten, wir hätten keinen freien Willen, so stimmt das nur eingeschränkt. Der freie Wille steht uns vor allem da zur Verfügung, wo wir wirklich bewusst (und länger) über eine Handlung nachdenken und versuchen auf Basis von (oft unvollständigen) Informationen zu handeln. Das Unterbewusstsein versucht, uns Arbeit abzunehmen, indem es auf Basis von früheren Erfahrungen und Reflexen handelt.
 

Eine besondere Form des Bewusstseins, die der Mensch mit einigen anderen Tieren teilt, ist das Selbst- oder Ich-Bewusstsein. Wir sind uns nicht nur eines Handlungsstrangs bewusst, den wir verfolgen, sondern erkennen auch uns selbst in diesem Prozess als eine Einheit. Nimmt das Ich-Bewusstsein Schaden, kann das zu multiplen Persönlichkeiten führen, die jede für sich ein Ich besitzt, oder zur Schizophrenie, wenn wir den inneren Monolog nicht mehr dem Selbst zuordnen und meinen, Stimmen zu hören.

Ich werde in meinem nächsten Artikel näher darauf eingehen.


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