Wahrnehmung und Bewusstsein I

Zwei Eigenschaften unseres Gehirns beschränken uns in unserer Fähigkeit die gesamte Umwelt als ganzes wahrzunehmen. Auf der einen Seite besitzt das Gehirn nur eine begrenzte Kapazität Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, wird die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt gelenkt, so muss die Verarbeitung von konkurrierenden Sinneseindrücken in den Hintergrund gestellt werden.

Auf der anderen Seite steht die Fähigkeit unseres Gehirn ungewollte Informationen herauszufiltern, dies ist natürlich auch eine Konsequenz aus der Notwendigkeit mit den begrenzten Kapazitäten sinnvoll umzugehen.

Auf diese Weise werden von 109 Bit/s an Informationen, die uns durch alle Sinne zusammengenommen erreichen nur etwa 10 - 100 Bit/s bewusst verarbeitet - ein Fernsehbild enthält zum Vergleich etwa 106 Bit/s an Information.

Die beiden Teilaspekte könnten auf folgendes Modell für die visuelle Informationsverarbeitung schließen lassen, das die Verarbeitung zwischen Wahrnehmung des Stimulus und der Antwort, zum Beispiel einer Blickwendung beschreibt.

Zunächst konkurrieren Objekte im Blickfeld um mentale Repräsentation und Analyse. Diese Daten werden gefiltert nach Informationen, die für das aktuelle Verhalten notwendig und relevant sind. Wenn entschieden ist, welche Stimuli für das zukünftige Verhalten von Bedeutung seien könnten werden diese weiterverarbeitet, während uninteressante Stimuli weitgehend ignoriert werden können oder unbewusst verarbeitet werden.

Es gibt eine andere weit verbreitete Vorstellung, dass unsere Aufmerksamkeit die komplette Umgebung wie ein Suchscheinwerfer absucht und jedes Objekt nacheinander ein Quantum Aufmerksamkeit erhält - wobei hier anzumerken ist, dass uns die meisten Objekte einer Szene natürlich nicht der Reihenfolge nach ins Auge springen, was aber wieder mit der Bewusstwerdung eines optischen Reizes zu tun hat.

Ziel der Wissenschaftler ist es nun herauszufinden, welches dieser Modelle den tatsächlichen physiologischen Gegebenheiten am nächsten kommt.

In einfachen Experimenten werden den Probanden dazu zwei Objekte im Blickfeld angeboten, bei denen Er oder Sie eine Eigenschaft eines jeden Objekts identifizieren muss. Diese Experimente offenbaren einige interessante Fakten über die Fähigkeiten unseres Gehirns Informationen zu verarbeiten.

Das erste was in Experimenten auffällt, ist, dass die Aufmerksamkeit, wenn sie zwischen zwei Objekten geteilt werden muss, in der Folge zu schlechteren Resultaten in der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung führt.

Dabei ist es allerdings so, dass die Eigenschaft, sei es nun Farbe oder Form keinen meßbaren Einfluß auf die Erkennungsgeschwindigkeit hat, es scheint also allein die Anzahl der Objekte zu sein, die hier relevant ist.

Der zweite Punkt ist, dass - solange kurze Stimuli verwendet werden und man die Genauigkeit der Identifikation misst - es danach aussieht, als ob die größten Einschränkungen in der Erkennungsfähigkeit am Input liegen würden, nicht bei der kurzzeitigen Speicherung der Daten. In den Experimenten zeigte sich, dass die Beeinträchtigung der Verarbeitung zweier Objekte vernachlässigt werden kann, wenn sie dem Probanden in kurzem Abstand, von etwa einer Sekunde, gezeigt werden, obwohl beide Stimuli verarbeitet und bis zum Ende des Versuchs behalten werden mussten. Dieses Ergebnis spricht möglicherweise gegen das Scheinwerfermodell, da es hier keine Rolle spielen sollte, ob die Objekte vom Bewusstsein der Reihe nach verarbeitet werden oder tatsächlich nacheinander angeboten werden.

Drittens ist die Aufmerksamkeit unabhängig von der Blickrichtung, auch wenn der Blick auf einen festen Punkt gehalten wird, so ist es einfacher ein Objekt zu identifizieren als zwei.

Und viertens ist die Beeinflussung weitgehend unabhängig von der räumlichen Trennung der beiden Objekte im Gesichtsfeld, das gilt zumindest solange es ansonsten leer ist. Auch das könnte gegen eine systematische Abtastung sprechen, da nahe beieinander stehende Objekte schneller erkannt werden müssten.

Es ist tatsächlich sogar leichter zwei Eigenschaften ein und desselben Objekts zu identifizieren als zwei verschiedene Objekte. Unter einfachen Bedingungen ist es sogar so, dass zwei Eigenschaften eines Objekts fast genauso leicht erkannt werden, wie eine einzelne.

Diese Erkenntnisse werfen die Frage auf, was uns einen Gegenstand überhaupt als Summe seiner Merkmale erkennen lässt. Viele Faktoren gehören zusammen, wenn es darum geht zu entscheiden ob ein Gegenstand eine Einheit bildet oder nicht, zum Beispiel die Farbe, die räumliche Nähe oder auch unsere eigene Vertrautheit mit dem Objekt.

Die Daten scheinen zu zeigen, dass die Gegenstände als ganzes vom visuellen System verarbeitet werden, während sie um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren. Irrelevante Reize waren in Experimenten schwerer zu ignorieren, wenn sie sich mit den Relevanten in die selbe Richtung bewegten. Das visuelle System scheint vorgegebene Bindungen zwischen Objekten zu respektieren und zu bewahren.

Eine Möglichkeit dies zu erklären wäre, dass Objekte in Gruppen und Bindungen parallel von visuellen System verarbeitet werden, auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Neuronen nicht allein auf eine einzelne Eigenschaft reagieren, eher auf ein breiteres Spektrum und einige Zellen reagieren nur auf das komplexe Zusammenspiel mehrerer Eigenschaften, so sind einige Neuronen zum Beispiel auf das Erkennen von Gesichtern spezialisiert.

Es besteht die Möglichkeit, dass Neuronen, die sich mit der Verarbeitung eines Objekts beschäftigen ihre Aktivität synchronisieren, so dass auf diese Weise die Einheit von Anfang an gewahrt bleibt.

Bevor diese Fragen um die Rolle der Aufmerksamkeit bei Bindungen und Gruppierungen von Objekten endgültig geklärt werden können, muss noch mehr Wissen darüber gesammelt werden, wie Objekte im Cortex repräsentiert werden.

Die Standartansicht war es bisher die Aufmerksamkeit als einen Prozess anzusehen, in welchem die Verarbeitung schrittweise auf die verschiedenen Regionen des visuellen Feldes gelenkt wurde. Dieser Mechanismus beschreibt einen seriellen Hochgeschwindigkeitsprozess, der von einem Ort zum anderen die Objekte innerhalb von jeweils 50ms erkennt.

Das Modell der parallelen gelenkten Aufmerksamkeit, die auch von vielen experimentellen Daten gestützt wird, widerspricht dieser Vorstellung in diversen Punkten und führt eher zu den folgenden Schlüssen.

Zum einen konkurrieren Reize in Gesichtsfeld um die begrenzte Verarbeitungskapazität und die Kontrolle des Verhaltens. Dabei wird die Aufmerksamkeit auf zwei Weisen kontrolliert, zum einen wird besonders Auffälligkeiten und Neuerscheinungen ins Auge fallen und zum anderen werden die Eindrücke nach aktueller Relevanz sortiert, z. B. Position oder Eigenschaften.

Zudem sieht es so aus, als würden Objekte als ganzes vom visuellen Apparat verarbeitet, die Objekteigenschaften werden als Einheit erkannt, bevor ein bewusstes Verbinden stattfindet.

Deshalb scheint unsere Aufmerksamkeit kein Hochgeschwindigkeitsprozess zu sein der Szenen der Reihe nach absucht, statt dessen weisen die experimentellen Daten auf einen relativ langsamen Prozess hin, in welchem konkurrierende Eindrücke über das gesamte visuelle Feld parallel verarbeitet werden.

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