Generationenschiffe


Raumfahrt mit mehr als Lichtgeschwindigkeit ist nach derzeitigem Stand der Physik leider nicht möglich. Die vielversprechendsten Konzepte kommen lediglich auf maximal 10%, und das heißt, die Reise zu den Sternen kann ein langwieriges Unternehmen werden. Selbst ein Besuch unseres nächsten Nachbarn Proxima Centauri, in einem Abstand von nur 4,24 Lichtjahren, würde so über 40 Jahre dauern und das schließt noch nicht die Zeit ein, um das Raumschiff zu beschleunigen und am Ziel wieder abzubremsen, was ebenfalls mehrere Jahre dauern würde.

Es bleibt also nur die Möglichkeit, die extreme Reisedauer in die Planungen mit einzubeziehen und damit zu rechnen, dass es mehrere Generationen brauchen würde, um einen fernen Stern zu erreichen. Generationenschiffe sind also die derzeit einzige denkbare Möglichkeit.

Man könnte sich überlegen, dass eine Weltraumstation im Orbit der Erde ein guter Ausgangspunkt für so eine Weltraumarche wäre, doch sind diese Konstruktionen, wie zum Beispiel eine O'Neill-Kolonie – ein riesiger rotierender Zylinder, indem Landschaften nachgebildet sind - immer noch stark von der Erde und der Sonne abhängig, um zu funktionieren und für den interstellaren Einsatz möglichweise zu fragil oder zu teuer, wenn man diese Begrenzungen überwinden möchte. Für die Aufgaben einer interstellaren Reise muss man wahrscheinlich einen anderen Ansatz wählen.

Für die veranschlagte Reisezeit muss das Raumschiff außerordentlich robust sein und seine Insassen nicht nur vor Mikrometeoriten, sondern auch vor der kosmischen Strahlung effektiv schützen. Eine konventionelle Konstruktion kommt deswegen eigentlich kaum in Betracht, statt dessen erscheint es sinnvoll, sich einen Asteroiden zu schnappen und diesen auszuhöhlen. Wie man einen Asteroiden in den Erdorbit bringt, ist natürlich ein Problem, aber wenn man soweit gekommen ist, einen Antrieb zu entwerfen, der 10% Lichtgeschwindigkeit erreichen kann, dürfte das nicht mehr unlösbar sein.

Die Verwendung eines Asteroiden hätte zwei Vorteile, zum einen bietet er schon durch seine Masse Schutz vor den kosmischen Widrigkeiten. Außerdem stellt er, wenn man ihn gezielt aussucht, schon eine Reihe an Rohstoffen für den Bau des Raumschiffes zur Verfügung und vermindert damit die Transportprobleme von der Erde in den Orbit. Natürlich muss dann die nötige Industrie, und nicht die Güter allein zum Asteroiden gebracht werden, aber dieses Problem muss auch bei einem erdgestützten Aufbau gelöst werden, da für Reparaturen und Umbauten während des Flugs alle entsprechenden Einrichtungen ohnehin unverzichtbar sind.

Eine Variante zum Asteroiden ist die Verwendung eines Kometen, der im Gegensatz zum Asteroiden nicht aus Gestein, sondern hauptsächlich aus Eis besteht. Es muss abgewägt werden, welche Ressourcen auf lange Sicht sinnvoller sind, oder ob man nicht gleich zwei Generationenschiffe baut, eines aus einem Asteroiden und eines aus einem Kometen, in Bezug auf die Redundanz der Systeme und die Ausfallsicherheit ist diese Überlegung nicht abwegig.

In einem solchen Generationenschiff würden die Habitate für die Bewohner wahrscheinlich ringförmig angelegt und eine Rotation würde für künstliche Schwerkraft sorgen. Eine vollständige Aushöhlung des Kerns wäre aber ökonomisch und in Hinblick auf die Stabilität nicht unbedingt sinnvoll und auch die Außenhülle muss massiv genug bleiben, um ihre Schutzfunktion nicht einzubüßen.

Die Konstruktion ist aber nur ein Teil der Überlegung. Ganz wichtig sind auch die Menschen, die man auf eine solche Reise schicken möchte.

John H. Moore, von der University of Florida, meint, dass schon eine Besatzung von 180 Personen ausreicht, um eine überlebensfähige Population für 60 - 80 Generationen zu bilden. Diese Zahl ermöglicht eine ausreichende Reproduktionsrate und wäre groß genug, um genügend genetische Variation zu erlauben – lediglich mit gezielter Geburtenplanung bei ausgewählten Partnern ließe sich diese Zahl wahrscheinlich noch etwas verringern. Statt der militärischen Struktur und Hierarchie, die heute bei Weltraummissionen gebräuchlich ist, würde ein Generationenschiff eher wie eine Sippe mit Familienstrukturen funktionieren.

Ein großes Problem kann die Gruppendynamik werden, die auf engem Raum und mit wenig Ausweichmöglichkeiten schnell zu Konflikten führen kann.

Und schließlich muss für ein künstliches Ökosystem gesorgt werden, das sich selbst unabhängig erhalten kann. Mit den überschüssigen Rohstoffen, die das aus einem Asteroiden oder Kometen bestehende Schiff ausmachen, können sicher Schwankungen ausgeglichen werden, aber das ist nur eine Notlösung, wenn das System dauerhaft bestand haben soll.

Bisherige Versuche, wie Biosphäre 2 sind gute Ausgangspunkte, zeigen aber auch deutlich die Schwierigkeiten, bei dem Versuch ein Ökosystem nachzubilden. Dabei war das Projekt Biosphäre 2 vielleicht nur ein wenig zu ambitioniert, weil versucht wurde, ein zu komplexes Ökosystem nachzubilden (einen Strich durch die ersten Versuche machten Mikroorganismen im Boden, die Kohlendioxid produzierten und die Sauerstoffaufnahme des Betons).

Überlegungen werden auch in den Ackerbau gehen müssen; um die in einem Raumschiff notwendigen Arbeiten (Wartung, Reparatur, wissenschaftliche Fragestellungen) neben der Nahrungsmittelproduktion durchführen zu können, wird man kaum auf konventionellen Ackerbau zurückgreifen können, sondern künstliche Aufzucht in Nährlösungen, Hydrokulturen usw. in Betracht ziehen müssen.

Viele dieser Probleme können aber beseitigt werden, wenn man sich nicht auf ein Schiff verlässt, sondern immer wieder neue Schiffe mit verbesserter Technologie hinterherschickt, die genetische Diversität wäre gewährleistet, Vorräte und Ressourcen können aufgestockt werden und die Verbindung zum Heimatplaneten bliebe bestehen, was auch psychologische Probleme abmildert. Es ist jedoch fragwürdig, ob diese Vorgehensweise über hunderte von Jahren aufrecht erhalten werden könnte.

Derzeit ist ein Generationenschiff die einzige technisch überhaupt denkbare Möglichkeit ferne Sterne zu erreichen, aber die Verpflichtung, die eine Gesellschaft damit einginge, wären enorm, was wohl in Grund dafür ist, dass diese Konzepte derzeit viel eher in Science-Fiction zu finden sind als in konkreten Überlegungen der Weltraumagenturen. Immerhin ist das ethische Problem, das damit verbunden ist, Mensch auf eine Reise ohne Wiederkehr zu schicken, noch nicht einmal diskutiert worden - aber sehr viel anders wie die ersten Entdeckungsreisen oder Auswanderungen in die neue Welt wäre es auch wieder nicht.
 

 


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