2002 wurde der Nobelpreis für Physik unter anderem an Raymond Davis und Masatoshi Koshiba für den Nachweis von Sonnenneutrinos verliehen, aber als Wolfgang Pauli das Neutrino 1930 einführte diente es lediglich dazu eine Gleichung auszugleichen. Es gab keine Hinweise auf seine Existenz, geschweige denn, dass man überhaupt danach gesucht hätte.
Wolfgang Pauli versuchte mit diesem neuen Teilchen ein Problem zu beheben, das man bei Kernzerfällen beobachtet hatte. Bei Zerfällen wurde ein Elektron ausgesandt, das offensichtlich weniger Energie hatte, als bei dieser Art von Reaktion freigesetzt werden musste. Also behauptete Pauli, diese fehlende Energie müsste durch ein bisher unentdecktes Teilchen abtransportiert werden - schließlich muss ja Energieerhaltung gelten. Um die Ladungserhaltung nicht zu verletzen durfte es außerdem keine Ladung haben und mußte sehr leicht sein, da es sich mit fast Lichtgeschwindigkeit entfernte. Einer der wenigen Charakteristika die ihm zugeschrieben wurde war ein Eigendrehimpuls von ½ oder -½, wie beim Elektron - um die Drehimpulserhaltung nicht zu verletzen. In Anlehnung an das Neutron gab Pauli ihm den Namen Neutrino - kleines Neutron.
Es war also kein Wunder, dass die Physiker diesem Teilchen zunächst skeptisch gegenüber standen. Nun sollte man aber nicht vergessen wie bedeutend eine ausgeglichene Gleichung ist, wenn man bedenkt, dass Energie- Drehimpuls- und Impulserhaltung zu den fundamentalsten Gesetzen gehören, welche die Physik heute kennt.
Trotzdem war man dicht dran diese Grundlagen zumindest in diesem Fall aufzugeben, das hätte allerdings weitreichende Folgen gehabt. Laut dem nach Emmy Noether benannte Noethertheorem müsste es dann ein absolutes Koordinatensystem und eine absolute Zeitskala geben, was die Physik, wie wir sie seit Einstein kennen, auf den Kopf gestellt hätte.
Also suchte man dieses mysteriöse Teilchen, dass sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, möglicherweise eine winzige unbekannte Masse hat, keine Ladung trägt und so gut wie nie mit anderen Atomen eine Wechselwirkung eingeht. Frederick Reines und Clyde Cowan vom Los Alamos Laboratory fanden das Neutrino etwa 1955, als Nebenprodukt in Forschungsreaktoren. In Kernreaktionen werden 1013 - eine 1 mit 13 Nullen vor dem Komma - pro Sekunde freigesetzt von denen etwa 3 pro Stunde nachgewiesen werden konnten. Seit diesen Tagen läßt das neue Elementarteilchen die Forscher nicht mehr los.
Streng genommen ist das Neutrino, das beim Zerfall eines Neutrons in ein Proton und ein Elektron frei wird, ein Antineutrino - Protonen und Neutronen sind die Bausteine des Atomkerns, das Proton ist positiv geladen, das Neutron ist elektrisch neutral. Das Teilchen-Neutrino entsteht, wenn ein Proton unter Aussendung eines Positrons - das Anti-Elektron - zum Neutron wird oder ein Elektron mit einem Proton zu einem Neutron verschmilzt. Diese Reaktionen faßt man unter dem Begriff Beta-Zerfälle zusammen.
Ganz selten löst das Neutrino selbst eine Wechselwirkung aus und provoziert die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton, unter Aussendung eines Elektrons. Von den 1014 Neutrinos die den menschlichen Körper pro Sekunde durchströmen führt im ganzen Leben vielleicht eines zu einer Wechselwirkung.
Insbesondere diese seltene Wechselwirkung des Neutrinos mit Materie machen es zu einem interessanten Forschungsobjekt für Astrophysiker und Astronomen, da es Sterne, Planeten und selbst riesige Gaswolken fast ungehindert durchquert und damit Informationen aus den tiefsten Tiefen des Alls zu liefern verspricht.
Wie erwähnt entstehen Neutrinos bei Kernprozessen wie sie zum Beispiel auch in unserer Sonne ablaufen, so dass Neutrinos eine Möglichkeit bieten der Sonne quasi direkt ins Herz zu schauen. Das Licht der Sonne braucht vom Kern bis zur Erde mehre Millionen Jahre bis es die Oberfläche der Sonne erreicht, da es ständig von Materie aufgehalten wird.
Die Neutrinos sind, da sie sich ungehindert mit Lichtgeschwindigkeit bewegen - selbst in massivem Blei könnte ein Neutrino etwa 1000 Lichtjahre zurücklegen, bevor es aufgehalten wird - nach acht Minuten bei uns.
Um ein Teilchen zu beobachten, dass sich so viel Mühe gibt nicht entdeckt zu werden, mussten sich die Physiker etwas einfallen lassen. Sie bauten größere Detektoren. Der erste Nachweis des Neutrinos gelang mit 200 Litern Wasser, heute höhlt man Berge aus, wie zum Beispiel für den Japanischen Detektor Super-Kamiokande mit 50.000 Tonnen Wasser in der Kamioka Mozumi Mine in Japan oder versenkt Photomultiplier in der Antarktis.
In einem Berg deshalb, weil durch das Gestein andere Strahlung abgehalten wird, die die Messungen verfälschen könnte und die neue Anlage AMANDA (Antarctic Muon and Neutrino Detector Array), die 1994 im ewigen Eis der Antarktis installiert wurde und eine Anlage im Baikalsee ablöst, zeigt sogar durch die Erde durch und nicht direkt in Richtung Weltraum.
Wenn ein Neutrino mit einem Wasserstoff oder Sauerstoffatom im Wasser wechselwirkt wird ein schwacher Lichtblitz ausgesendet, der von den Photomultipliern verstärkt und registriert wird. Außerdem enthält das antarktische Eis wenig natürliche Radioaktivität, so dass Störungen für das tiefgefrorene Teleskop minimiert werden.
In Experimenten konnte gezeigt werden, dass diese Elementarteilchen nicht masselos sind, sondern eine winzige Masse besitzen - etwa ein Milliardstel eines Wasserstoffatoms, wegen der großen Anzahl der Neutrinos könnten sie trotzdem bis zu 20% der Masse des Universums ausmachen.
In der Astrophysik unterscheidet man verschiedene Arten von Neutrinos nach ihrer Energie bzw. Masse.
Zunächst sind da die Neutrinos vom Urknall, sie sind bei weitem die häufigsten aber wegen ihrer geringen Energie können sie in heutigen Detektoren nicht nachgewiesen werden. Danach folgen die Solaren Neutrinos wie sie bei verschiedenen Reaktionen in der Sonne entstehen aber auch wenn große Massen kollabieren können Neutrinos erzeugt werden, so zum Beispiel bei der Supernova SN1987A in der großen Magellanschen Wolke, die Dauer dieser Ausbrüche liegt aber nur im Sekundenbereich. Schließlich können Neutrinos als Nebenprodukt der kosmischen Strahlung auftreten, wenn diese hochenergetischen Teilchen auf die Erdatmosphäre treffen und es könnte exotische Quellen für Neutrinos mit sehr hoher Energie geben, wie zum Beispiel Pulsare, Quasare und aktive Galaxienzentren.
In einigen Experimenten stellte man aber zur Bestürzung der Physiker fest, dass die Sonnenneutrinos seltener beobachtet wurden, als dies vorhergesagt wurde. 1990 bis 1994 wurden dazu Experimente im Grand-Sasso-Untergrundlabor in Italien durchgeführt bei dem man Reaktionen in 30 Tonnen Gallium beobachtete. Man zählte nur etwa die Hälfte der erwarteten Neutrinos, woraus man entweder schließen musste, dass man die Sonnenphysik noch nicht gut verstanden hatte, oder das unterwegs irgend etwas mit den Neutrinos geschah.
Letzteres wird durch seit 2001 laufende Experimente am Sudbury-Neutrino-Observatorium in Kanada bestätigt. Offensichtlich oszillierten die Neutrinos zwischen verschiedenen Zuständen, d.h. auf dem Weg von der Sonne zur Erde verwandelte sich ein Teil der Neutrinos, so dass sie nicht mehr nachgewiesen werden konnten. Diese Oszillationen können Auftreten, weil Neutrinos eine winzige Masse haben.
Es gibt nämlich, wie man heute weiß, drei Arten von Neutrinos, das Elektron-Neutrino, das Müon- und das Tauon-Neutrino, die - wie Müon, und Tauon mit dem Elektron - untereinander verwandt sind und sich in der Masse unterscheiden. Müon- und Tauon-Neutrinos können aber erst seit kurzem in den modernsten heutigen Detektoren nachgewiesen werden.
Vielleicht wird uns die Neutrinoforschung ein neues Fenster zum Verständnis des Universums erschließen, das eines Tages Blicke bis zum Anfang des Universums möglich machen könnte. Zumindest das Rätsel der fehlenden Sonnenneutrinos kann aber als gelöst betrachtet werden.
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