Wissenschaft: Gravitationswellen - die neue Sicht ins Universum

Am 14. September 1015 wurden Gravitationswellen erstmals direkt beobachtet. Zwei Schwarze Löcher verschmolzen und das Signal konnte vom Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory (LIGO) aufgefangen werden. LIGO ist eine Kollaboration von 16 Staaten und mehr als 1000 Wissenschaftlern – von denen sich jetzt sicherlich zwei oder drei auf den Nobelpreis freuen können.

LIGO besteht aus zwei Detektoren in den US Bundesstaaten Washington und Louisiana. Dort schickt man einen Laserstrahl durch zwei senkrecht zueinander liegende, 4 km lange Röhren und misst anhand der Interferenz, ob sich die Abstände zwischen den Probemassen an den Enden der Röhren relativ zueinander verändern. Man teilt dazu den Laserstrahl und schickt jeweils einen Teil des Strahls in jede Röhre. Die Röhren, in denen der Laser läuft, sind evakuiert worden und möglichst erschütterungsfrei aufgehängt. Am Ende der Röhre werden die Strahlen mit Spiegeln zurückgeworfen und schließlich wieder überlagert. Wenn jetzt eine Gravitationswelle einen Arm im Verhältnis zum anderen verkürzt oder verlängert, verändert sich die Intensität des überlagerten Signals. Die Messung der schwer zu fassenden Gravitationswellen wird also mittels der Interferenz auf die Laufzeitunterschiede in den beiden Armen des Detektors zurückgeführt.

Gravitationswellen entstehen, wenn Körper mit Masse eine Anziehungskraft aufeinander ausüben, das ist die wesentliche Aussage des Newtonschen Schwerkraftgesetzes. Lange Zeit ging man davon aus, daß es sich bei der Schwerkraft um eine Sofortwirkung handeln würde – d.h., man glaubte, sie wirke ohne Zeitverzögerung - bis Einstein zeigte, dass sich auch diese Wechselwirkung nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet.

Zwei Körper mit Masse ziehen sich an. Ist der eine wesentlich schwerer als der andere, kann man sich die Raumzeit um den schweren Körper wie eine Mulde in einem Gummituch vorstellen, in der sich der leichte Körper bewegt.

Er folgt dabei nicht einer Geraden, die in diesem verzerrten Raum nicht mehr die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten darstellt, sondern einer sogenannten Geodäte - die man sich leicht anschauen kann, wenn man Murmeln durch eine Erdmulde kollern läßt. Die Murmel wird sich nicht gerade durch Mulde bewegen, sondern je nach Winkel und Geschwindigkeit abgelenkt werden. Auf einem Zylinder ist die Geodäte im Allgemeinen eine Spirale und auf einer Kugel ist es eine Kreisbahn, auf komplizierteren Oberflächen nimmt auch die Geodäte kompliziertere Formen an. Auf diese Weise wird der leichte Körper von seiner ursprünglichen Bahn abgelenkt und manchmal von schweren Körpern in eine Umlaufbahn gezwungen oder, falls die Mulde zu tief oder die Geschwindigkeit zu gering ist, schlägt er auf der Oberfläche ein.

Solange die schwere Masse im Zentrum stillhält, kann man sich das mit der Mulde noch gut vorstellen. Leider ist das im Grunde nie der Fall, denn selbst der kleinste mit Masse behaftete Körper verzerrt die Raumzeit und zwingt auch den schweren in eine andere Bahn. Letzteres macht sich um so stärker bemerkbar je mehr sich die Massen der Körper angleichen.

Wenn man sich nun zwei Sterne hernimmt, die umeinander kreisen stellt man fest, daß sie sich auf Bahnen um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Das trifft auch auf die Erde und den Mond zu und ist der Grund dafür, daß die Gezeiten auf beiden Seiten der Erde gleichermaßen auftreten. Auf der einen Seite zieht der Mond mit seiner Anziehungskraft, auf der gegenüberliegenden Seite macht sich die Zentrifugalkraft bemerkbar. Und jeder dieser Sterne bzw. auch Mond und Erde, schleppt sein Gravitationsfeld hinter sich her.

Diese Gravitationswellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und zwingen der Raumzeit ein kompliziertes Muster auf, ähnlich wie Wasserwellen von Schiffen, die sich kompliziert überlagern.

Die Entdeckung der Wellen und die zusätzliche Bestätigung von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ist aber nur ein Aspekt der direkten Beobachtung. Ein anderer ist die neue Sicht ins Universum.

Das Ereignis selbst - GW150914, die Kollision von zwei Schwarzen Löchern mit 29 bzw. 36 Sonnenmassen in 1,3 Mrd. Kilometern Entfernung bestätigt nicht nur deren Existenz. Denn andere Objekte von dieser Masse und einer Größe von wenig mehr Ausdehnung als der eines Staats in Europa, könnten niemals 70-mal in der Sekunde umeinander kreisen, bevor sie mit 70% der Lichtgeschwindigkeit zusammenstoßen und verschmelzen. Bei diesem Vorgang gingen etwa drei Sonnenmassen an Energie (E=mc², laut Einstein) verloren, die als Gravitationswellen abgestrahlt wurden. Das ist mehr Energie als alle Sterne im sichtbaren Universum zusammen in diesem Zeitraum abgeben.

Zur Zeit der Entdeckung des Signals befand sich LIGO noch in der Testphase, wir dürfen also erwarten noch mehr Gravitationswellen zu sehen, vielleicht auch von weniger dramatischen Ereignissen.

Für die Astromomen eröffnet sich damit ein völlig neuer Blick ins Universum. Gravitationswellen werden nicht von interstellarem Gas absorbiert, wie Licht, sie könnten Hinweise auf die Dunkle Materie geben, die 27 % des Universums ausmacht und fast ausschließlich über ihre Gravitation in Erscheinung tritt (fast 70 % sind übrigens Dunkle Energie, die der Gravitation entgegenwirkt und nur knapp 5 % sind Materie, wie wir sie täglich sehen).

Die Beobachtung des Weltraums im Spektrum der Gravitationswellen wird den Astronomen also entscheidende Hinweise auf die Verteilung der Materie im Kosmos geben und vielleicht Rückschlüsse auf den Verbleib der vielen dunklen Materie geben, die die Ausdehnung des Universums bremst.

Außerdem erhofft man sich Hinweise auf den Urknall, bei welchem schließlich auch gewaltige Massen bewegt worden sind. Die damals entstandenen Gravitationswellen müßten eigentlich bis heute durch das Universum wandern.

Da die Empfindlichkeit der erdbasierten Projekte sehr begrenzt ist, plant man aber auch schon ein neues Gravitationswellen-Interferometer. eLISA soll in den Weltraum geschossen werden, um unabhängig von irdischen Störquellen und mit einer Armlänge von einer Million Kilometern (evtl. sogar bis zu 70 Mio. km, solange die Kommunikation das zulässt) auch deutlich schwächere Gravitationswellen detektieren zu können. 


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