Im Alltag fällt uns nur selten auf, was für ein faszinierendes Tier der Mensch ist. Unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, leben nicht in Städten und sind noch nicht zum Mond geflogen und auch sonst gibt es kein Tier auf diesem Planeten, dass eine derartige Auswirkung auf den eigenen Lebensraum gehabt hat.
Viele dieser Leistungen wären ohne den herausragenden Verstand des Menschen nicht denkbar gewesen, und selbst wenn aktuelle Forschungen auch bei anderen Tieren, wie z. B. Vögeln, erstaunliche Intelligenz und Gedächtnisleistungen nachweisen, bleibt der Geist des Menschen eine bemerkenswerte Leistung der Evolution.
Wie sich das Gehirn zu dem entwicklen konnte, was es heute ist, ist immer noch ein wichtiges Forschungsgebiet und bei Weitem noch nicht abschließend aufgeklärt. Man vermutet, dass die richtige Nahrung und passende Lebensumstände die Entwicklung gefördert haben, aber es gibt kein erklärtes Ziel der Evolution, das zu einem großen und leistungsfähigen Denkapparat führt, eher im Gegenteil so ein Gehirn verbraucht eine Menge Energie, die erst einmal herangeschafft werden muss und es sind in der Entwicklungsgeschichte der Arten auch Fälle bekannt, wo Gehirne wieder kleiner wurden.
Für unsere Vorfahren muss es demnach von Vorteil gewesen sein, das Gehirn zu entwickeln, womöglich um andere körperliche Unzulänglichkeiten zu kompensieren, denn um den Vorteil einer Veränderung abzuwägen, findet in der Evolution immer eine rigorose Kosten-Nutzen-Rechnung statt, und wenn eine Eigenheit diese Abwägung nicht besteht, stirbt sie einfach aus.
Unser Verstand leistet aber in Wirklichkeit noch viel mehr oder ist zumindest zu Leistungen fähig, die unsere Alltagsarbeit ohne Probleme in den Schatten stellen. Oft fallen diese Fähigkeiten allerdings erst auf, wenn sie als Krankheitsbild oder Behinderung ins Auge fallen.
Mit Savant Syndrom beschreibt man in der Medizin eine Form des Autismus (aber nicht alle Savants sind Autisten), bei der die Person auf einem, oft eng begrenzten, Gebiet außergewöhnliches Talent zeigt. Einige Savants besitzen zum Beispiel eine optische Auffassungsgabe, die sie eine Szene mit einem Blick erfassen lässt und diese Szene, zum Beispiel eine Landschaft, können sie in Zeichnungen und Malerei so detailliert wiedergeben, wie es uns Normalsterblichen nur mit einem Fotoapparat möglich wäre.
Andere Savants verfügen über ein hervorragendes Gedächtnis und lernen Telefonbücher auswendig, wieder andere können die komplexesten Mathematikaufgaben im Kopf lösen, spielen begnadet Musik oder zeigen andere hoch entwickelte Fähigkeiten.
Wie bereits erwähnt, findet man hin und wieder unter Autisten Savants, aber diese Fähigkeiten können auch selten spontan auftreten, oder nach Verletzungen am Gehirn. Es gibt noch keine befriedigende Erklärung für das Syndrom, allerdings scheint die Funktionsweise von Filtersystemen eine Rolle zu spielen, die bei anderen Menschen die Sinneseindrücke von außen, bzw. die Kommunikation im Gehirn selbst kontrollieren.
Insbesondere bei der autistischen Variante des Savant Syndroms könnte das heißen, dass Sinneseindrücke mehr oder weniger ungehindert ins Bewusstsein gelangen und dort verarbeitet werden müssen. Das heißt aber auch, dass diese Fähigkeiten keine Laune der Natur sind, sondern auf Fähigkeiten des Gehirns hinweisen, die in jedem Menschen verborgen sind und möglicherweise auch unbewusst genutzt werden – man spricht dann wohl von Intuition, wenn man mal wieder eine Ahnung hat, aber nicht weiß, auf welchem Wege der Verstand zu diesem Schluss gekommen ist.
Aber es ist nicht nur der Verstand des Menschen, der zu nahezu unglaublichen Leistungen fähig ist, auch der Rest des Körpers kann mit Training und oft genetischer Prädisposition Überraschendes verrichten.
Nehmen wir einmal Lunge und Kreislauf, im gesunden Menschen verrichten sie fleißig ihren Dienst und pumpen mit 70-80 Schlägen jede Minute 5-7 Liter Blut (mehr bei anstrengenden Tätigkeiten) und 40 Liter Luft mit 20 Atemzügen durch unsere Körper, und das oft ohne Pause für mehr als 70 Jahre. Das ist das, was ein gesundes Herzkreislaufsystem schafft.
Beim Apnoetauchen (dem Tauchen ohne Pressluftflasche, nur mit Luftanhalten) ist noch etwas mehr (genaugenommen weniger) drin. Während Ungeübte ihren Atem für etwa eine Minute anhalten können, bevor der Atemreflex seinen Tribut fordert, schaffen Hochleistungssportler 7 bis 8 Minuten (der offizielle 2007er Rekord, von Tom Sietas, liegt bei 9 Minuten und 8 Sekunden).
Einer der Tricks dabei liegt darin, den Atemreflex so weit wie möglich zu unterdrücken. Dieser wird ausgelöst, wenn die Kohlendioxidkonzentration im Blut eine individuell unterschiedliche Grenze überschreitet. Mit dem entsprechenden Training kann man diese Grenze hinausschieben, sodass der Reflex später eintritt. Darüber hinaus kennt man die Technik des Hyperventilierens, wobei es hier nicht in erster Linie darauf ankommt, möglichst viel Sauerstoff ins Blut zu bekommen, sondern Kohlendioxid abzuatmen, um den Atemreflex zu verzögern. Diese Technik hat ihre Risiken, denn wenn der Sauerstoffgehalt zu weit absinkt, ohne dass ein Atemreflex ausgelöst wird, kommt es zur Ohnmacht und in der Folge zum Tod durch Ertrinken.
Unterstützt wird der menschliche Körper beim Freitauchen auch durch den Atemreflex, der ebenfalls bei allen Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist. So verlangsamt sich unter Wasser bzw. unter erhöhtem Umgebungsdruck die Herzschlagrate, die peripheren Blutgefäße verengen sich, sodass vornehmlich Herz, Lunge und Gehirn versorgt werden, es werden zusätzliche rote Blutkörperchen ausgeschüttet – die Sauerstoff transportieren - und Blutplasma füllt Gefäße in der Lunge, da diese sonst bei Tiefen unterhalb von 30 Metern Schaden nehmen würde. (Der Tiefenrekord vom 23.09.2007 wurde übrigens von Dave Mullins aufgestellt und beträgt unfassbare 244 Meter).
Lunge und Herz sind nicht die einzigen Bestandteile des Körpers, deren Grenzen man ausloten kann, auch die Muskeln des Menschen sind interessante Studienobjekte. Man unterscheidet drei Muskelarten, die Skelettmuskeln, die glatte Muskulatur und den Herzmuskel. Dass der Herzmuskel praktisch ohne Pause (tatsächlich legt er hin und wieder doch eine kurze Pause ein) seinen Dienst verrichtet, ist schon erwähnt worden. Die glatten Muskeln findet man rund um Blutgefäße, den Verdauungstrakt und andere innere Organe. Die Skelettmuskeln schließlich sind für die Körperkraft des Menschen verantwortlich – und ohne Skelett könnten sie ihre Kraft auch nicht anwenden, da dann Stützen und Hebel fehlen (es macht also keinen Sinn, sich einen bionischen Arm zuzulegen, wenn der Rest des Körpers der Belastung nicht standhält). Die Stimulation der Muskeln erfolgt elektrisch nach der Anregung durch die Motoneuronen und die Erregung braucht nur etwa 1/1000 Sekunden um den Muskel entlangzuwandern.
Schon beim Gewichtheben zeigt sich die außerordentliche Kraft dieser Muskeln, aber unter Stress, wenn Adrenalin ausgeschüttet wird, das unter Anderem den Sauerstofftransport verbessert, steigert sich die Leistung nochmals erheblich (allerdings nicht so stark, dass man Autos hochheben könnte, wie es in einigen urbanen Legenden kolportiert wird). Bei Messungen konnte z. B. gezeigt werden, dass die Kraft unter Einfluss von Stress, lauten Geräuschen und anderen Faktoren um bis zu 31% gesteigert werden konnte.
So bleibt die Frage, warum der Mensch über diese Fähigkeiten verfügt, bzw. warum sie nur bei wenigen Menschen auftreten oder ausschließlich in Extremsituation in Erscheinung treten.
Dabei ist die Frage zu den Stressreaktionen wahrscheinlich noch am leichtesten zu beantworten, denn die Fähigkeit, bei Gefahr Leistungsreserven aktivieren zu können, deren Dauereinsatz womöglich wieder Nebenwirkungen hätte, ist einfach ein Vorteil im Überlebenskampf. Die latenten Fähigkeiten der Savants, die in jedem Menschen vermutet werden, können auf die Arbeit des Unterbewusstseins hindeuten, dass ständig unsere Umwelt beobachtet und Sinneseindrücke filtert, bevor sie ins Bewusstsein gelangen.
Tatsächlich gehen einige Wissenschaftler davon aus, dass das Unterbewusstsein das Bewusstsein vor allem dann bemüht, wenn es selbst mit den Eindrücken nicht zurecht kommt und Unterstützung braucht. Und abgesehen davon kann es sich um Fähigkeiten handeln, die wir aus der Frühgeschichte der menschlichen Entwicklung herübergerettet haben, was womöglich beim Tauchreflex der Fall ist. Und auf der anderen Seite bieten alle diese Fähigkeiten (und jene, für die der Platz an dieser Stelle nicht reichte, um sie aufzuzählen) Spielraum für zukünftige Evolutionsschritte. Der Mensch hat seine Evolution zwar inzwischen auf die Technik verlegt, grundsätzlich ist er aber nicht von ihr ausgenommen, und würden sich die Lebensbedingungen ändern, sodass die Extremleistungen häufiger gefordert würden, so könnten sich diese Zweige der Entwicklung stärker ausprägen, so wie das vielleicht auch bei der Evolution des aufrechten Gangs der Fall war.
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