Unendlichkeit

Unendlichkeit ist einfach unvorstellbar, zumal sie uns im Alltag nicht besonders oft begegnet. Man könnte annehmen, dass das Weltall unendlich ist, aber der Eindruck täuscht, denn obwohl es vor etwa 13,7 Mrd. Jahren einen Urknall gab und es sich seit dem ausdehnt, ist es noch lange nicht unendlich groß, sondern hat eine feste Ausdehnung, die durch seine Expansionsgeschwindigkeit begrenzt ist. Und da diese Expansionsgeschwindigkeit nicht unendlich groß ist, kann auch das Universum in absehbarer Zeit nicht unendlich groß werden. Aber vielleicht kann es ja unendlich alt werden, denn die Wissenschaft ist sich noch nicht einig, ob die Expansion irgendwann zum Erliegen kommt oder sich bis in alle Ewigkeit – also unendlich – fortsetzt.

Die ersten Ideen vom Unendlichen in unserem Kulturkreis gehen auf Aristoteles zurück, der zwischen potenziell unendlich und tatsächlich unendlich unterschied. Potenziell unendlich wären dabei die natürlichen Zahlen, denn bei ihnen gibt es keine, die wirklich die größte ist. Und laut Aristoteles ist es nicht möglich sich diese Zahlengruppe vollständig vorzustellen, so dass sie nicht als tatsächlich unendlich angesehen werden kann. Er war der Meinung, dass somit nur das potenziell Unendliche dem Verstand zugänglich sei und dass das tatsächlich Unendliche nicht sinnvoll verstanden werden kann. Damit hat er sich natürlich geschickt um diese Problematik herumgedrückt.

Erst Galileo hat darauf hingewiesen, dass, wenn man aus einer unendlich großen Zahlenmenge die Hälfte der Zahlen entfernt, immer noch unendlich viele Zahlen übrig bleiben.

Aber natürlich kann man Unendlichkeiten nicht nur durch Aufzählen oder Verdoppeln erreichen, sondern auch durch Halbieren. Das ist ein wesentlicher Punkt in Zeno von Eleas Paradoxen. Wenn er davon ausgeht, dass der Sprinter Achilles niemals eine Schildkröte überholen kann, welche 10 Meter Vorsprung hat, weil er dazu erst einmal die Strecke bis zur Schildkröte zurücklegen muss. Bis er da angekommen ist, ist die Schildkröte auch schon weitergewandert und der Sprinter muss wieder erst diese Strecke bis zum neuen Standpunkt der Schildkröte zurücklegen, während diese weiterzieht. Auf diese Weise kann der Sprinter laut Zeno die Schildkröte nie erreichen, weil er dazu eine unendliche Zahl immer kürzerer Strecken überwinden muss.

1665 wurde dann erstmals die liegende Acht (die Lemniskate ∞) als Symbol für die Unendlichkeit von dem englischen Mathematiker John Wallis eingeführt (die Griechen kannten das Symbol auch schon , nutzten es aber für 1000, was groß, aber eben noch nicht unendlich ist) und zehn Jahre später entwickelten Newton und Leibnitz unabhängig voneinander Methoden, um mit dem Unendlichen rechnen zu können. Newton vermied dabei aber sorgfältig die Erwähnung des Unendlichen – offenbar ein Konzept, das immer noch Kopfzerbrechen bereitete.

Unendlichkeit ist also in erster Linie ein mathematischer Begriff, sie begegnet uns am ehesten beim Zählen, oder genauer, wenn wir mit dem Zählen nicht mehr weiter kommen, weil es eine schier endlose Zahl von Objekten gibt. Doch auch das ist ein Trugschluss, denn solange wir es mit einer begrenzten, egal wie großen, Menge an Objekten zu tun haben, erreichen wir die Unendlichkeit nicht.

Selbst wenn wir uns vornehmen, im Urlaub die Sandkörner am Strand zu zählen, ist diese Menge zwar unvorstellbar groß, aber eben nicht unendlich, selbst wenn das ganze bekannte Weltall mit Sandkörnern gefüllt wäre, kämen wir nur auf 1063, aber nicht auf unendlich. Nur wenn wir ohne Objekte zählen, können wir davon ausgehen, dass uns die Zahlen bis in alle Unendlichkeit nicht ausgehen werden.

Noch schneller erreichen wir die Unendlichkeit, wenn wir nicht einfach zählen, sondern verdoppeln – wobei sich die Frage stellt, ob das die gleiche Qualität von Unendlichkeit ist, oder ob es da vielleicht qualitative Unterschiede gibt.

Stellen wir uns dazu eine Gruppe von unendlich vielen Elementen vor, zum Beispiel alle geraden Zahlen. Wir sehen sofort, dass diese unendlich große Gruppe sozusagen noch halb leer ist. Und wenn wir unsere Gruppe um die ungeraden Zahlen erweitern, dann ist unsere Gruppe immer noch nicht vollständig, denn es fehlen ja noch die gebrochenen Zahlen und dann noch die natürlichen – ganz zu schweigen von den irrealen Zahlen (den Wurzeln aus negativen Zahlen, die man ja auch noch definieren kann).

Es scheint also möglich zu sein, Gruppen von Unendlichkeiten zu bilden, die ihrerseits wieder unendlich große Gruppen enthalten, wie eine Matroschka-Puppe, nur dass unsere bis zur Unendlichkeit verschachtelt sein kann.

Erst 1874 rang man sich schließlich dazu durch, das aristotelische Verständnis des Unendlichen über den Haufen zu werfen. Das geschah durch Georg Cantor, der die Idee der Gruppentheorie – jede Matroschka-Puppe entspricht einer Unendlichkeitsgruppe - einführte und damit zeigen konnte, dass es - zumindest mathematisch - unterschiedliche Gruppen von unendlichen Elementen geben konnte.

Um seine Idee zu verdeutlichen, hat Cantor vorgeschlagen, wie man aus einer Menge von Zahlen fast alle Zahlen entfernen kann, und trotzdem noch eine unendlich große Menge übrig behält.

Dazu schneidet man aus der Menge der reellen Zahlen von 0 bis 1 ein Drittel in der Mitte heraus – alle Zahlen zwischen 1/3 und 2/3. Aus den Resten entfernt man wiederum das mittlere Drittel und so weiter, bis man das Prozedere unendlich oft wiederholt hat. Was übrig bleibt, ist eigentlich nichts, aber dieses Nichts besteht immer noch aus unendlich vielen Elementen – wie die ursprüngliche Menge. Das Ergebnis ist der sog. Cantor-Staub.

Das heißt aber auch, dass zwischen zwei natürlichen Zahlen unendlich viele reelle Zahlen liegen, so dass die Unendlichkeit der reellen Zahlen viel größer sein muss als die der natürlichen Zahlen.

Unendlich selbst ist allerdings keine Zahl, wie man vielleicht annehmen könnte, wenn wir hier von größeren oder kleineren Unendlichkeiten sprechen – doch das ist eher qualitativ gemeint und nicht quantitativ, sondern nur ein Konzept. Eine Zahl ist dadurch definiert, dass es einen Vorgänger und einen Nachfolger gibt. Obwohl wir inzwischen wissen, dass es unterschiedliche Qualitäten der Unendlichkeit gibt, ist sie aber keine Zahl, denn ∞ + 1 ist immer noch ∞.

Macht man trotzdem den Versuch, Unendlichkeit wie eine Zahl zu behandeln, führt das die Mathematik, wie wir sie kennen, ad absurdum, denn mit ∞ + 1 = ∞ und ∞ + 1 + 1 = ∞ + 2 kommt man auf 1 = 2.


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