Wissenschaft und Religion

Es liegt in der menschlichen Natur, die Welt verstehen zu wollen. Die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Zusammenhänge zu erkennen, ist ein evolutionärer Zug, der es dem Menschen erlaubte, sich in einer Welt durchzusetzen, in der viele Tiere größer, schneller oder stärker waren als er selbst.

Doch Zusammenhänge zu erkennen, ist nur ein erster Schritt; im zweiten geht es darum, Erklärungen zu finden.
Hinzu kommt, dass der Mensch ein soziales Tier ist, das in Gruppen lebt, und in einer solchen Gemeinschaft ist es wichtig, dass es Regeln für das Zusammenleben gibt, welche die Gesellschaft stützen. Die Entwicklung einer Moral als Verhaltenskodex war damit ebenfalls ein wichtiger Pfeiler für die erfolgreiche Entwicklung des Menschen.

Viele Tiere kommen allerdings ganz gut ohne diese aufgesetzten Regeln aus, bei Ameisen genügen mehr oder weniger festgelegte Verhaltensmuster, bei vielen Tierherden reicht das instinktive Verhalten aus. Der Mensch gehört aber zu den Tieren, die über ein Selbstbewusstsein verfügen und damit über Individualität, die es dem Einzelnen ermöglicht sich gleichzeitig als Einzelwesen und als Teil der Gemeinschaft zu sehen.
Um eine Gruppe von Individuen zusammenzuhalten, braucht es mehr als Instinkt und vererbte Verhaltensweisen, es braucht Moral und, nur einen kleinen Schritt weiter, Regeln für das Zusammenleben. Diese Regeln müssen von möglichst vielen in der Gesellschaft befolgt werden und je größer die Gemeinschaft wird, um so schwieriger wird es, dies zu gewährleisten.

Plötzlich wird es sinnvoll eine übergeordnete Instanz einzuführen, die das Zusammenleben überwacht. Das können die Ahnen sein, oder Naturgeister oder später auch Götter.
Kombiniert man die Notwendigkeit für moralische Führung und den Drang nach Verständnis in der menschlichen Gesellschaft miteinander, ist der Grundstein für die Entwicklung von Religion gelegt.

Sehen wir mal davon ab, welche sozialen und gesellschaftlichen Implikationen diese Entwicklung hat, bleiben übermächtige Entitäten, denen man die Beobachtungen, die in der Umwelt gemacht werden, in die Schuhe schieben kann. Auf einmal ist Religion nicht mehr nur ein Werkzeug, um das Zusammenleben zu erleichtern, sie wird zu einer Erklärung der Welt, ja zu einem Weltbild selbst.
An dieser Stelle entstehen aber auch die Schwierigkeiten.
Man stellt schnell fest, dass es Grundkonzepte in vielen Religionen gibt, die sich sehr ähneln, dass man keine Mitglieder des eigenen Stamms umbringt oder aufisst zum Beispiel; am wichtigsten und am weitesten verbreitet ist aber der Zusammenhalt in der Gemeinschaft und dass man Mitgliedern kein Leid zufügt und einander unterstützt. Andere Ansichten unterscheiden sich von Gruppe zu Gruppe und sorgen für eine Trennung zwischen den verschiedenen Weltsichten.
Die Schwierigkeit mit den Religionen ist in dieser Hinsicht, dass sie sich nur schwer anpassen lassen (immerhin kommen sie von höheren Wesenheiten), was das Zusammenleben schwer machen kann.

An dieser Stelle hat es die Wissenschaft leichter, denn sie behauptet nicht, eine festgelegte Wahrheit zu vertreten. Wo die Religion eine Bedeutung in der Welt und eine letzte Wahrheit zu entdecken sucht, bemüht sich die Wissenschaft, die Welt so zu verstehen, wie sie sich dem Menschen darstellt.
In dieser Form ist die Wissenschaft begrenzt, denn sie macht keine Aussage, über das, was tatsächlich los ist. Sie nimmt beobachtbare Phänomene und versucht einen Konsens darüber zu erreichen, wie diese Phänomene erklärt werden können. So entsteht eine Theorie. Im nächsten Schritt versucht man Fehler in der Theorie zu finden, wird einer entdeckt, so muss die Theorie angepasst werden. Wird keiner gefunden, sucht man weiter und die Theorie kann erst einmal verwendet werden.

In der Religion versucht man die Sicht, die man von der Welt hat zu bestärken, entdeckt Wunder und Offenbarungen, welche die eigenen Götter rechtfertigen.
In der Wissenschaft versucht man Theorien darüber, wie die Welt funktioniert, zu widerlegen um über diese Entdeckungen zu einem noch besseren Verständnis der Welt zu kommen.
Doch am Ende sind Wissenschaftler auch Menschen und menschliche Aspekte spielen auch in die Wissenschaft. Selbstsucht, Glaube an die eigene Theorie und sogar Betrug, aber am Ende setzt sich die bessere Erklärung durch, weil es so viele Wissenschaftler gibt, die sich immer wieder über ihre Beobachtungen der Welt auseinandersetzen und die Ergebnisse der anderen überprüfen.

Aber was sagt die Wissenschaft über die Religion? – Nichts. Natürlich gibt es, wie oben dargelegt, Theorien über die Entwicklung der Religionen, aber eine letzte Wahrheit gibt es in dieser Hinsicht nicht.
Wissenschaft und Religion stehen nicht im Gegensatz zu einander (jedenfalls nicht aus Sicht des rationalen Wissenschaftlers), sondern können nebeneinander existieren.

Aber genug Philosophie. Religion und Glaube hat auch wissenschaftlich messbare Auswirkungen auf unser Gehirn. Mit bildgebenden Verfahren, wie der Magnetresonanztomografie, kann man zeigen, wie sich Meditation und Gebet auf die Aktivität im Gehirn auswirken. Insbesondere Bereiche, die im Frontalhirn für die Aufmerksamkeit und Konzentration verantwortlich sind, zeigen bei diesen Aktivitäten eine höhere Aktivität. Zudem gibt es einen Bereich im Gehirn, der besonders häufig bei religiösen Erfahrungen aktiv wird. Es ist der Temporallappen (ein Bereich des Gehirns in der Gegend des Ohrs). Es ist auch der Ort, der bei epileptischen Anfällen aktiv ist, und er wird mit Emotion und Erinnerung assoziiert.

Reizt man den rechten Temporallappen mit einem schwachen elektrischen Feld kann die Testperson den Eindruck gewinnen, es befinde sich eine weitere Person im Raum. Manchmal sehen die Probanden sogar Gesichter.
Emotionale Erlebnisse führen zur Ausschüttung des Hormons Serotonin im Gehirn und umgekehrt kann Serotonin (oder LSD, Peyote oder andere psychedelische Drogen, die dem Hormon ähnlich sind) solche Erfahrungen heraufbeschwören. Vielleicht bewirkt die Stimulation des Temporallappens mit elektromagnetischen Feldern eine erhöhte Serotoninausschüttung, die zusammen mit vergrabenen Erinnerungen religiöse Erlebnisse hervorruft oder verstärkt. Evolutionär ist das ziemlich sinnvoll, wenn wir uns erinnern, wie wichtig die Religion für das funktionieren der frühen menschlichen Gesellschaften war, es war ein Vorteil für das Überleben der Spezies.

Aber das ist kein Beweis, dass ein Gott nur eine Illusion unseres Geistes ist, es ist nur das, was unsere Wissenschaftler entdecken und zu verstehen versuchen, und es sei jedem selbst und seinem Glauben überlassen, was davon zu halten ist.


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