Die Medizin von Morgen

Die Medizin macht im Moment große Schritte, zum einen, was die diagnostischen Möglichkeiten betrifft, aber auch bei den Mitteln, die zur Behandlung eingesetzt werden können. Und ein Trend zeichnet sich sehr deutlich ab, die Medizin wird individueller auf den einzelnen Patienten abgestimmt.

Da gibt es zum einen die Sequenzierung des Genoms, um auch seltenen Erbkrankheiten auf die Spur zu kommen, oder Medikamente, die speziell für den Patienten angefertigt werden. 

Craig Venter hatte im Jahr 2000, nach nur zwei Jahren 96%, oder etwa 25.000 Gene (oder 3 Mrd. Basenpaare) im menschlichen Genom identifiziert. Das gelesene Erbmaterial war allerdings nur das von fünf ausgesuchten Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. 

In den letzten zehn Jahren hat die Genetik große Fortschritte gemacht und auch das Lesen geht immer schneller, sodass bald jeder, den das interessiert, sein Genom wird entziffern lassen können. Aber die entscheidenden Schritte fehlen noch. Das Genom zu lesen, bedeutet im Moment nicht mehr, als die Buchstaben in einem Buch in der richtigen Reihenfolge zu identifizieren. Aber wir sind noch weit davon entfernt die Sprache zu verstehen, in der das Buch verfasst ist. 

Vergleicht man die Gene von unterschiedlichen Menschen, kann man aber trotzdem schon den einen oder anderen Schluss ziehen. Insbesondere, wenn man von erblich bedingten Krankheiten weiß, kann man schauen, wie sich das Erbgut von gesunden Individuen unterscheidet, und so lernen, wo die eine oder andere Eigenschaft versteckt ist. 

Abweichungen in dem einen oder anderen Gen sind sogar sehr häufig, man geht von 10 Millionen aus. Man spricht hier von Single Nucleotide Polymorphism (SNP), Abweichungen an singulären Nukleotiden. Diese zu untersuchen ist inzwischen nicht mehr schwer, in naher Zukunft wird man eine halbe Million SNPs auf einem einzigen Chip untersuchen können, der in einer flachen Hand Platz findet. SNPs kennzeichnen oft keine Krankheit, sondern nur Unterschiede zwischen Volksgruppen, die sie untereinander vererben. 

In der Regel ist es nicht nur eine Position auf dem Erbgutstrang, sondern viele, welche die Funktion eines Proteins bestimmen. Einzelne Gene beeinflussen sich und zusammen machen sie verschiedene Eigenschaften oder Krankheiten aus. Das ist gut, denn Mutationen gibt es im Erbgut von jedem von uns, dadurch dass sich Gene gegenseitig beeinflussen, spielen singuläre Variationen oft keine große Rolle. Aber manchmal machen sie den Unterschied zwischen Diabetes, Herzinfarkt oder einer unverwüstlichen Gesundheit.

In unserem Buch bedeutet dieses Zusammenspiel der Gene, dass ein Absatz am Anfang, einer im ersten Drittel und einer am Ende, dafür verantwortlich ist, dass der Mensch vielleicht ein 20% erhöhtes Risiko hat, einen Herzinfarkt zu erleiden. Und genau da wird die Medizin der Zukunft ansetzen, im Vergleich des Patientengenoms mit einer Datenbank könnte man Wahrscheinlichkeiten angeben, mit denen ein Mensch in der Zukunft an einer Krankheit leiden könnte. Darauf abgestimmt kann man schon vorsorglich zum Beispiel mit der Ernährung oder Sport daran arbeiten, die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch der Krankheit zu senken.

An dieser Stelle sieht man aber auch schon ein Problem dieser prädiktiven Medizin. Zum Einen stellt sich die Frage, ab welchem Risiko man bereit ist, auf den Besuch bei seinem Lieblingsrestaurant zu verzichten. Zum anderen könnten Krankenversicherungen auf die Idee kommen, solche Tests zu verlangen und die Prämien daran zu orientieren oder gar jemanden auszuschließen, weil sie das Risiko nicht tragen wollen - da ist der Gesetzgeber gefragt, derartige Wildwüchse zu vermeiden.

Ein anderer Trend geht im Moment in Richtung CT. Das Computertomogramm ist sehr hilfreich, um Probleme in Organen oder im Knochenbau aufzudecken. Doch als Vorsorgeuntersuchung sind sie keine gute Idee. Denn obwohl die Belastung nicht sehr groß ist, es ist immer noch eine radioaktive Strahlung, der man sich aussetzt, mit all den Risiken, die dazu gehören. Abgesehen davon entdeckt man womöglich Probleme, die gar keine sind. Keine zwei Menschen sind gleich. Auch wenn das in den Anatomiebüchern vielleicht so aussieht, gibt es haufenweise Abweichungen, die in der Regel überhaupt keine Probleme machen und nicht behandelt werden müssen. Und genau das gilt auch für die DNS-Diagnostik.

Die Diagnose ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht die Behandlung von Krankheiten, auch die Therapie wird in Zukunft viel stärker auf das Individuum abgestimmt sein. 

Noch ist es nicht soweit und so können zur Zeit Risiken identifiziert werden, für die es noch keine Behandlungsmöglichkeit gibt. Die Medizin arbeitet natürlich mit Hochdruck daran, das zu ändern. Man stellt sich vor, dass Medikamente entwickelt oder individuell zusammengestellt werden, die ganz spezifisch auf die DNS und damit auf den Stoffwechsel des einzelnen Menschen abgestimmt sind, statt sich darauf verlassen zu müssen, dass alle Menschen ähnlich genug sind, damit man sich auf die medizinischen Studien im Vorfeld verlassen kann.

Und wenn man weiß, welches Protein auf Grund genetischer Anomalien nicht richtig arbeitet und damit vielleicht Diabetes verursacht, dann braucht man vielleicht kein Insulin, um an den Symptomen herumzudoktern, sondern liefert das nötige Protein, um die körpereigene Insulinproduktion wieder anzukurbeln. 

Wenn das alles nur so einfach wäre. Denn wenn mehrere SNPs für eine Krankheit verantwortlich sind und diese sowieso von Ethnie zu Ethnie variieren, dann ist der Zusammenhang zwischen einer Krankheit und einer Sammlung von Mutationen oft nicht sehr hilfreich und einige Studien kommen ganz einfach zu falschen Zusammenhängen. In frühen Untersuchungen waren bis zu einem Drittel der Ergebnisse nicht zutreffend. 

Schaut man sich genetische Faktoren für einen Herzinfarkt an, dann gibt es tatsächlich einen signifikanten Zusammenhang mit einem bestimmten Chromosom. Doch schaut man sich andere bekannte Ursachen, wie Rauchen, Fettleibigkeit usw. an, dann sind die Vorhersagen der Gendiagnostik in keiner Weise besser als die traditionelle Methode.

DNS allein ist also nicht die Lösung, wenn wir von der Wiederentdeckung der personalisierten Medizin sprechen, dann muss auch das Individuum darin eine Rolle spielen, sein Verhalten und seine Geschichte - bzw. die der Eltern und Großeltern.


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