Nanotechnologie

Bisherige Technologien setzten darauf einen Haufen Materie in eine Form zu gießen oder so lange etwas davon zu entfernen, bis man das gewünschte Bauteil in Händen hält. Die Zukunft wird möglicherweise so aussehen, dass man das Produkt aus einzelnen Atomen aufbaut, das ist zumindest das, was man sich von der Nanotechnologie erwartet, wie sie vom Physiker R.P. Feynman 1959 erstmals vorgeschlagen wurde.

Mit Hilfe von Rastertunnelmikroskopen und Rasterkraftmikroskopen kann man schon heute Oberflächen mit atomarer Auflösung in Augenschein nehmen und sogar einzelne Atome manipulieren, d.h. Atome aus Oberflächen lösen oder Fremdatome einfügen.

Aber um durch das Verschieben einzelner Atome einen Gegenstand zusammenzusetzen, braucht man viel Zeit. Ganz zu schweigen vom Aufwand, der betrieben werden muss, um mehrere atomare Geräteteile zu einer arbeitenden Maschine zusammenzusetzen. Aktuelle Forschungen gehen deshalb auch in die Richtung Nano-Bauteile mittels Lithographie aus einem Siliziumwaver herauszuätzen oder chemische Reaktionen zu nutzen, um sie in großem Stil herzustellen.

Einzelne Teile dieser zukünftigen Nanomaschinen existieren bereits, so kann man heute Getriebe, Zangen und Schalter herstellen, aber auch ein Geißelantrieb, den man sich von Bakterien abgeschaut hat, ist schon gebaut worden. Ein Problem besteht aber noch darin, diese Bauteile zu einer komplexen Maschine zusammenzusetzen. Bis zum Einsatz von Nano-Robotern oder Nano-Technologie - kurz Nanobots (oder Nanities, nach Greg Bear, "Blood Music" 1983) bzw. Nanonic (P.F. Hamilton, "Night‘s Dawn Trilogy" 1996) - wird es deshalb noch eine Weile dauern. Optimistische Wissenschaftler rechnen mit mindestens zehn bis 15 Jahren.

Die ersten Einsatzbereiche werden deshalb großflächige Anwendungen sein, die nicht Atom für Atom aufgebaut werden müssen, sondern chemische und physikalische Phänomene nutzen um Oberflächen in wenigen Arbeitsschritten mit neuen Eigenschaften und Funktionen auszustatten.

So kann man zum Beispiel Oberflächen mit einem Plasma beschichten - das ist ein Gas aus Atomen, das so heiß ist, dass die Atome ionisiert sind. Auf diese Weise lassen sich Beschichtungen herstellen, die nur wenige, im Extremfall eine einzige Atomlage, dick sind.

Man kann beispielsweise eine Glasplatte mit ein paar Lagen Kohlenstoffatomen versehen, die sich auf der Oberfläche zu einer kratzfesten Diamantschicht anordnen oder Strukturen wachsen lassen die den Lotosblüteneffekt nachahmen, so dass die Oberfläche keinen Schmutz annimmt. Am BIAS in Bremen wurde außerdem kürzlich eine Technik entwickelt um Diamantschichten in Luft - statt wie bisher unter Vakuum - sehr schnell wachsen zu lassen, so dass industrielle Anwendungen dieser Technik kurz bevorstehen dürften.

Nutzt man zusätzlich die chemischen Eigenschaften der Elemente kann man sogar Strukturen auf der Oberfläche entstehen lassen. Mit genau der richtigen Menge an Atomen, die aber noch nicht ausreichen die Oberfläche komplett zu bedecken, kann man zum Beispiel Inseln schaffen, an denen sich wieder die nächste Atomsorte bevorzugt anlagert, so könnte man eine ganze Platte mit winzigen Leuchtdioden bauen, zum Beispiel für die Hintergrundbeleuchtung von noch flacheren Bildschirmen oder Tapeten, die auch als Lichtquelle dienen.

Man kann aber auch Kohlenstoffröhren wachsen lassen, die sich unter Umständen als Leiter für einzelne Elektronen einsetzen lassen, was ein erster Schritt in Richtung Quantencomputer ist.

Aber es werden auch ganz neue Materialien möglich sein, die so widerstandsfähig sind wie Hochleistungs-Keramiken und trotzdem bruchfest und flexibel wie Stahl.

So ist eine moderne Hochleistungskeramik, wie sie zum Beispiel als Hitzeschild am Space-Shuttle eingesetzt wird, zwar sehr hart aber Spröde. Durch die Kontrolle des atomaren Aufbaus und vielleicht das eine oder ander Fremdatom könnte man aber seine Eigenschaften manipulieren, so dass er seine Festigkeit behält aber leichter zu bearbeiten und zu formen ist und einwirkenden Kräften besser widerstehen kann. Diese Keramiken, die auch bei der Motorentwicklung in der Automobilindustrie von Interesse sind und viele weitere neue Materialien, werden unser Leben mehr oder weniger unbemerkt verändern, lange bevor die ersten Mediziner den ersten Nanobot in die Blutbahn eines Patienten injizieren.

Neue Technologien lösen immer wieder Vorbehalte aus und wenn es darum geht die Natur auf ihrer untersten Ebene zu manipulieren, bekommen es manche mit der Angst zu tun. Was ist denn, wenn ein verrückter Wissenschaftler selbstreproduzierende Nanobots baut, die außer Kontrolle geraten und die ganze Erde bis hinunter zum heißen Magma vernichten und nur eine glühende von hungrigen Nanobots wimmelnde Einöde hinterlassen.

Die meisten Wissenschaftler sind glücklicher weise nicht wahnsinnig und besitzen neben einem gesunden Selbsterhaltungstrieb auch ein gewisses Verständnis für Ökonomie und Nutzen.

Sich selbst reproduzierende Nanobots sind außer für einen kompletten Weltuntergang zu nichts zu gebrauchen und eignen sich deshalb nicht einmal für das Militär. Zweifellos wird das Militär an der neuen Technologie interessiert sein, aber man wird neue Panzerungen und viele andere Dinge ersinnen.

Abgesehen davon gibt es erhebliche Schwierigkeiten bei der Konstruktion solcher Maschinen, denn sie müssten die Rohstoffe sammeln, aufbereiten und einbauen. Bisher sind nur Lebewesen und als ihre kleinsten Vertreter die Bakterien zu dieser Leistung fähig. Und wenn sich die Maschine auch noch selbst vervielfältigen soll, dann muss sie auch einen Bauplan in ihrem Inneren tragen und diesen Bauplan auf die nächste Nanobot-Generation übertragen. Bisher gibt es keine Lösungen für dieses Problem. Die DNS-RNS Kombination in uns Lebewesen, die gleichzeitig als Bauplan und als Werkzeug dient, ist auf Grund ihrer Komplexität in absehbarer Zukunft nicht auf technische Produkte zu übertragen.

Die Gefahr des Weltuntergangs ist also gering, es bleibt aber die Frage, welchen Nutzen ziehen wir aus der Nanonic, den wir nicht auch durch Anwendung klassischer Ansätze erhalten kann.

Die Medizin muss immer wieder als Paradebeispiel für neue Anwendungen herhalten. So verspricht man sich zum Beispiel Nanobots, die im Körper des Patienten selbstständig nach Krankheitserregern oder vielleicht nach Krebszellen suchen und diese ausschalten oder sogar in der Lage verletztes Gewebe zu reparieren. Selbstverständlich haben diese Nanobots nur eine begrenzte Lebensdauer und werden dann auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden.

Für diesen Einsatz muss eine Nanonic entwickelt werden, die in der Lage ist, kranke Zellen zu erkennen - dies zumindest ist nicht so schwer, denn genau wie bei den Zellen des Immunsystems, könnte man sich chemische Rezeptoren ausdenken, die auf dieselben Reize reagieren und den Nanobot zielsicher zum Krankheitserreger oder einer Krebszelle führen.

Eine andere Frage ist, ob man dazu wirklich Nanonic braucht, denn man kann auch das körpereigene Immunsystem trainieren, dass das möglich ist, ist bereits gezeigt worden.

Könnten Nanots vielleicht helfen, Umweltverschmutzungen zu beseitigen? Kleine chemische Fabriken könnten Ölteppiche aufnehmen und in weniger schädliche Komponenten zerlegen. Das gleiche leisten aber auch einige Bakterienarten sehr effektiv, diese sind zwar vorzugsweise in warmen Regionen tätig, aber daran kann man mit Zucht und Gentechnik arbeiten.

Man kann sich sehr viele Bereiche überlegen in denen die Nanotechnologie einsetzbar ist, sie muss dabei nicht unbedingt die einzige Option sein, aber sie könnte zielgenau und vielleicht eines Tages schneller und flexibler eingesetzt werden als andere Lösungsansätze.

Den größten Nutzen werden wir aber in absehbarer Zukunft wahrscheinlich nicht durch komplizierte Nanobots haben. Was unsere Welt verändern wird sind neue Materialien mit schier unglaublichen Eigenschaften und die stehen sogar schon vor der Tür und warten auf ihren Einsatz.


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