Atlantropa und andere Utopien

Utopien begleiten die Gesellschaft seit den Griechen, dabei geht es in der Utopie oft darum, sich andere Gesellschafts- oder Staatsformen vorzustellen, die in den häufigsten Fällen positiver gesehen werden, als die gerade herrschende.

Heutzutage werden Utopien auch gerne in Scince-Fiction verpackt. Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist „Star Trek“. Im Grunde wird hier eine menschliche Gesellschaft beschrieben, die von Wissensdrang und meistens friedlichen Motiven getrieben wird. Es geht für viele in erster Linie um Selbstverwirklichung (was für einen Sternenflottenkapitän natürlich leichter zu erreichen ist, als den Fähnrich mit der roten Uniform).

Utopien sind aber kein modernes Phänomen. In der Politeia von Platon (ca. 370 v. Chr.) ist oberstes Ziel des Staatswesens (nicht anderes heißt Politeia) die Gerechtigkeit. Zwar ist die fiktive Gesellschaft, die Platon vorstellt, in Stände, wie Bauern, Wächter und Regenten aufgeteilt, jede dieser Schichten zeichnet sich aber durch besondere Eigenschaften aus, die zusammen zum Gemeinwohl des Staates beitragen.

Schon an diesem Beispiel sieht man aber auch, dass das, was als positive Alternative gedacht ist, manchmal erschreckend negative Aspekte zeigt. Platons Politeia ist ein außerordentlich totalitärer Staat, der nach heutiger Interpretation auch für Auslese und Eugenik ausspricht (was zur Zeit der Griechen allerdings nicht negativ gesehen wurde).

Neben den, im ersten Anschein, positiven Utopien gibt es natürlich auch solche, die von vornherein negative Visionen der Zukunft zeichnen, wie "Brave New World" von Aldous Huxley und "1984" von George Orwell. Man spricht dann gern von Dystopien.

Dass utopische Gesellschaftsformen nicht realisiert werden, liegt oft nicht daran, dass die Idee nicht gut genug wäre, sondern dass die Ideen technisch, finanziell oder gesellschaftlich nicht umzusetzen sind.

Eine dieser Ideen war Atlantropa. Herman Sörgel dachte in den 1920er Jahren darüber nach, wie man Europa mit Land und Energie versorgen konnte und kam auf die Idee, das Mittelmeer teilweise trocken zu legen. Der Gedanke war nicht völlig neu, schon 1787 hätte Thomas Jefferson das gern gesehen.

Herman Sörgel war kein weltfremder Spinner, sondern ein Ingenieur, der eine recht gute Vorstellung davon hatte, was möglich war. Mit einer Absenkung um 100m hätte man 660.000 Quadratkilometer Land gewinnen können und am Staudamm in der Meerenge von Gibraltar wäre ein gigantisches Wasserkraftwerk entstanden, das mit 50.000 Megawatt Strom (heutige Atomkraftwerke liefern um 1400 MW) Europa und Nordafrika mit Strom versorgt hätte. Es wären Millionen von Arbeitsplätzen entstanden, Kriege durch die Kooperation verhindert und Nordafrika an Europa angebunden worden. Der 2. Weltkrieg und die Entdeckung der Atomkraft versetzten dieser Utopie allerdings den Todesstoß.

Ganz zu schweigen von den anderen Problemen, die Atlantropa mit sich brachte, wie einem künstlichen Staudamm um Venedig, um die Lagune künstlich zu erhalten und natürlich die katastrophalen ökologischen Folgen einer solchen Vergewaltigung der Natur.

Abgesehen davon hätte die damals bekannte Technik tatsächlich ausgereicht, Atlantropa umzusetzen. Die Finanzierung eines solchen Projektes hätte die beteiligten Staaten aber wahrscheinlich in den Ruin getrieben, bevor es fertig gestellt worden wäre.

Man unterscheidet verschiedene Formen von Utopien. Zum einen gibt es die gesellschaftlichen Utopien. Hier gibt es nicht nur sozialistische und kommunistische Utopien, sondern auch solche, die das Recht auf Faulheit oder Selbstverwirklichung propagieren. Der Situationismus zum Beispiel forderte das Ende von Waren, Lohnarbeit, Technokratie und hierarchischen Strukturen und wollte das Leben selbst zum Kunstwerk machen, er fand seinen Eingang in verschiedene Kunstrichtungen, wie Fluxus und Performance. Die Situationistische Internationale wurde 1957 gegründet und gab 1972 ihre Selbstauflösung bekannt.

Des Weiteren kann man religiöse Utopien zusammenfassen. Vorstellungen vom Himmel, wie sie z. B. in Christentum und Islam vorkommen, sind utopischer Natur, genauso wie ein Garten Eden oder ein Gottesreich. Wohin die fanatische Verfolgung solcher Ideen führen kann, sieht man heutzutage leider allzu oft in den Nachrichten.

Atlantropa gehört zur Gruppe der wissenschaftlich-technischen Utopien. Hier ist es manchmal nicht allein die Umwelt, die manipuliert werden soll. Mit Biotechnologie und Genetik kann auch der Mensch selbst einer utopischen Vorstellung angepasst werden. Der Transhumanismus verspricht sich dadurch die Erlösung der Menschheit von Krankheit, Hunger und Tod. Ziel des Transhumanismus ist es, die menschliche Evolution gezielt zu lenken und durch Eingriffe biologischer oder technischer Natur Intelligenz und Physis zu erweitern und zu verbessern. Nanotechnologie, Genetik und künstliche Intelligenzen könnten Medien sein, diese Ziele zu verwirklichen.

Die Ziele, wie in den meisten Utopien, sind durchaus ehrenwert: Armutsbekämpfung, höhere Lebensqualität, weniger Hunger. Die Gefahren sind nicht weniger bemerkenswert, denn diese Ziele können viel leichter umgesetzt werden, wenn man auch vor Eugenik und Auslese nicht zurückschreckt.

Neben den nicht umsetzbaren Utopien gibt es allerdings auch zahlreiche konkrete, die vielleicht nicht so weit gehen, die ganze Gesellschaft umkrempeln zu wollen, aber auf Grund der Analyse bestehender Verhältnisse Mittel und Wege aufzeigen, wie man einzelne Ziele verwirklichen kann. Und immer wieder tun sich Menschen zusammen, um ihre Vorstellung von einer utopischen Gesellschaft auszuleben. Das war so bei den Hippie-Kommunen und wird in zahlreichen Projekten und Gesellschaften fortgeführt.

Utopien, auch wenn sie nicht Wirklichkeit werden, oder vor negativen Entwicklungen warnen, sind seit jeher Bestandteil der Zivilisation und immer wieder gelingt es, Teile tatsächlich für ein positiveres Leben zu integrieren, oder Entwicklungen umzukehren, die offensichtlich in die falsche Richtung führen


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