Lebensformen

Die Breite der Möglichkeiten, in denen Leben auf der Erde vorkommt, macht es schwierig, den Begriff Leben selbst eindeutig zu definieren, denn viele Eigenschaften treffen für sich genommen auch auf unbelebte Materie zu. Letztendlich kann Leben deshalb nur als eine Kombination mehrerer Merkmale aufgefasst werden.

Zu diesen Merkmalen von Leben gehören unter anderem ein Stoffwechsel und der Austausch mit der Umgebung, Energieaufnahme und Informationsverarbeitung, Wachstum, Vermehrung und auch die Anpassung an Umweltbedingungen – durch genetische Variabilität. Aber gerade Viren machen vielen Begriffsbestimmungen einen Strich durch die Rechnung. Eine eindeutige Definition, was Leben ist, existiert deshalb bis heute nicht.

Auf der Erde unterscheidet man derzeit fünf unterschiedliche Formen des Lebens: Bakterien, Archaeen, Protisten, Pflanzen, Pilze und Tiere. Wobei Bakterien mit Abstand die am weitesten verbreitete Form sind, die sich auch am anpassungsfähigsten erwiesen hat. Auf der anderen Seite sind Pflanzen und Tiere zwar nicht so zahlenmäßig vertreten, aber dafür haben sie komplexere Strukturen entwickelt und sich so den verschiedenen Lebensräumen angepasst.

Aber gerade die einfach gebauten Lebensformen haben jede Nische unseres Planeten erobert und lassen sich auch nicht von extremen Bedingungen, wie Eiseskälte oder über hundert Grad heißem Wasser abschrecken. Sie fanden Lebensräume in tiefen Höhlen, ohne Zugang zum Sonnenlicht und haben dort gelernt, ihre Energie aus anderen chemischen Prozessen zu ziehen. Wieder andere überleben in schwefelhaltigen Quellen, Salzseen oder gar in Säuren und Alkaliseen. Unter diesen extremophilen Lebensformen sind die Thermophilen also nur eine Untergruppe.

Die Vielfältigkeit des irdischen Lebens lässt damit durchaus den Schluss zu, dass sich Leben in unterschiedlichsten, auch auf den ersten Blick lebensfeindlichen, Umgebungen entwickeln kann. Womit die Wahrscheinlichkeit wächst, dass es nicht auf einen Sonderfall wie die Erde beschränkt ist, sondern sich auch auf anderen Himmelskörpern im Universum entwickeln könnte.

Genau mit dieser Frage beschäftigt sich die Exobiologie, denn wenn das Leben die unwirtlichen Plätze hier erobern konnte, dann sollte das auch auf anderen Planeten möglich sein. Soweit wir heute wissen, spielt sich Leben im Bereich von flüssigem Wasser ab, also vom Gefrierpunkt bis zum Kochen – wobei die Temperaturen durchaus jenseits von hundert Grad Celsius liegen dürfen, wenn der Druck hoch genug ist und H2O weiterhin in flüssiger Form vorliegt. Allerdings scheint es eine Grenze bei etwa 115 °C zu geben, bei denen Proteine und DNS denaturieren – Hinweise auf Lebensformen, die in schwarzen Rauchern bei Temperaturen von bis zu 230 °C überleben können, sind noch nicht bestätigt worden.

Andere Organismen, vor allem höher entwickelte, versuchen derartig ungünstige Bedingungen oft aktiv zu umgehen, z. B. indem sie ihren Standort wechseln; einige Mikroben können ihre Lebensfunktionen anhalten und auf bessere Bedingungen warten.

Einige der kalten trockenen Zonen können durchaus mit der Marsoberfläche verglichen werden, allerdings müssen auch die Lebewesen in der Arktis flüssiges Wasser zur Verfügung haben, das auf der Marsoberfläche nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Andere Erdbakterien leben tief im Gestein und haben sich andere Energiequellen als die Sonne zunutze gemacht. In dieser Form könnten auch Lebensformen auf dem Mars die Zeiten der Trockenheit überdauert haben.

Diese meistens extremophilen Lebensformen gehören streng genommen nicht zu den Bakterien, sondern bilden eine eigene Domäne, die Archaeobakterien oder Archaea, welche von den Eukaryonten (ohne Zellkern, zu denen die Bakterien gehören) und den Prokaryonten (zu den Pflanzen, Tiere und Pilze gehören) unterschieden werden muss.

Forschungen zu den Ursprüngen dieser Archaea aus Tiefen von bis zu 3000 Metern zeigen, dass die Anzahl anaerober und thermophiler Formen mit der Tiefe zunimmt, die ihre Energie aus der Oxidation von Eisen und Mangan gewinnen, indem sie dem Metall Elektronen entziehen. Dabei wurden im Schlamm zwar 100-mal mehr Organismen gefunden, aber auch in Steinproben konnten Mikroorganismen nachgewiesen werden. In den Schichten des Trias müssen sich diese Lebensformen inzwischen seit über 14 Mio. Jahren unabhängig von äußeren Einflüssen entwickelt haben.

Als Energiequelle kommt in diesen Tiefen natürlich nicht das Sonnenlicht - also direkt oder indirekt aus der Photosynthese - in Frage, stattdessen müssen diese Organismen ihre Energie aus anderen Quellen beziehen. So sind unter anderem Methan verarbeitende (in Methanhydratfeldern oder Kläranlagen) oder Metalle reduzierende Lebensformen (sie lassen z. B. Eisen unter Luftabschluss korrodieren, indem sie ihm direkt Elektronen entziehen) bekannt und zeigen, wie vielfältig sich die Lebensformen an die Umgebung anpassen können.

Alle diese irdischen Lebensformen haben aber gemeinsam, dass sie auf Kohlenstoff basieren, das könnte jedoch Zufall sein, da alle Lebewesen der Erde denselben Ursprung haben. Der Begriff Kohlenstoffchauvinismus beschreibt diese eingeschränkte Sichtweise. Allerdings gibt es auch nur wenige Kandidaten im Periodensystem, welche die Rolle des Kohlenstoffs übernehmen könnten. Silizium kommt den Eigenschaften des Kohlenstoffs chemisch noch am nächsten, allerdings sind Mehrfachbindungen mit diesem Element schwerer herzustellen und gerade langkettige Verbindungen neigen dazu steifer zu sein, und das auch nur bei Temperaturen von etwa –200 °C, was sie für biologische Prozesse eher ungeeignet erscheinen lässt.

Auf der anderen Seite wurden viele organische (auf Kohlenstoff basierende) Verbindungen im interstellaren Medium nachgewiesen, sodass man es durchaus als gegeben hinnehmen kann, dass diese Grundbausteine des Lebens auch für die Lebensformen fremder Sterne zur Verfügung stehen und genutzt werden könnten.

Alles in allem sind schon die Lebensformen auf der Erde unglaublich vielfältig und dass Leben sich unter – für uns – extremen Bedingungen entwickelt und erhält, sollte dann auch für andere Orte im Universum gelten. Das Leben findet seinen Weg.


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