Fremde Intelligenzen

Wir sind nicht allein. Noch bis vor wenigen Jahren ist die Wissenschaft eigentlich immer davon ausgegangen, dass der Mensch das einzige intelligente Wesen auf der Erde ist. In letzter Zeit setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist.

Bevor man aber untersucht, wie verbreitet Intelligenz auf der Welt ist, muss aber geklärt werden, was man unter Intelligenz versteht, denn sie umfasst nicht nur die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu bewältigen oder logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Faktoren der Intelligenz sind daneben auch soziale und emotionale, welche das Zusammenleben in Gruppen und Verbänden erst möglich machen.

All diese Formen der Intelligenz sind nicht auf den Menschen beschränkt, sondern finden sich auch im Tierreich wieder. Aber sie können auch nicht ohne weiteres an der Größe des Gehirns festgemacht werden, denn es kommt hier auch auf das Verhältnis von Gehirn zu Körpergröße an und wahrscheinlich auch auf die Struktur des Gehirns. So kommt man nicht darum herum, sich das Verhalten der verschiedenen Spezies anzuschauen, um Hinweise auf intelligentes Verhalten zu finden.

Zunächst sind da natürlich unsere nächsten Verwandten, die Primaten, oder noch genauer die Menschenaffen. Gerade von den Zwergschimpansen, oder Bonobos, ist bekannt, dass sie über eine ausgeprägte soziale Intelligenz verfügen. Ganz anders als die Schimpansen führen sie ein sehr friedliches Leben, in dem Konflikte in der Regel gewaltfrei ausgetragen werden und Spannungen oft durch Sex abgebaut werden. Dieses Verhalten zeugt nicht notwendigerweise von hoher Intelligenz, aber es ist eindeutig eine Strategie, die das Zusammenleben unter den Bonobos erleichtert. Aus der Sicht des analytischen Verstandes muss man hinzufügen, dass sich diese Verhaltensmuster im Laufe der Evolution herausgebildet haben und es auch andere Möglichkeiten gibt, wie die Schimpansen zeigen.

Sehr interessant - sowohl bei Primaten, aber auch Delfinen - ist die Fähigkeit sich selbst im Spiegel zu erkennen, was für eine Art von Selbstbewusstsein spricht. Die Selbsterkenntnis geht dabei darüber hinaus zu erkennen, dass das Spiegelbild die eigenen Bewegungen nachahmt. Auch wenn der Menschenaffe einen roten Punkt auf die Stirn gemalt bekommt, greift er sich selbst an die Stirn, was deutlich für ein Bild in seinem eigenen Kopf spricht.

Dieses Selbstbild ist möglicherweise auch eine Grundlage für die emotionale und soziale Intelligenz, denn wenn man sich seiner Selbst und auch seiner Gefühle bewusst ist, so ist es nicht mehr weit, auch anderen Gruppenmitgliedern ähnliche Emotionen zuzuschreiben und damit ein Sozialverhalten zu ermöglichen, das über ein rein instinktgesteuertes Zusammenleben hinausgeht.

Ein weiteres Zeichen der Intelligenz von Menschenaffen und Delphinen ist natürlich auch ihre Fähigkeit eine Gebärden- oder Zeichensprache zu erlernen und in dieser Sprache verschiedene Zusammenhänge zwischen Begriffen und Aktivitäten zu begreifen.

Aber die Anzeichen für Intelligenz und Selbstbewusstsein enden nicht bei den Säugetieren, auch Vögel zeigen erstaunliches Verhalten.

So ist Alex - ein trainierter Graupapagei der Psychologin Irene Pepperberg - in der Lage unterschiedlichste Formen und Farben zu unterscheiden und zu benennen, ganz zu schweigen davon, dass er jetzt sogar lesen lernt. Auch einfache Sätze wie "bring dieses oder jenes", "ich möchte dahin" oder Ähnliches, kann Alex verstehen und äußern. Mit diesen Fähigkeiten ist Alex' Intelligenz durchaus mit der eines drei- bis vierjährigen Kindes vergleichbar.

Auch Krähen und Raben zeigen erstaunliche Verhaltensweisen, auch ganz ohne menschliches Training. An einem Universitätscampus in Japan können z. B. Krähen beobachtet werden, die mit den Menschen an der Ampel warten, bis die Autos halten, dann legen sie Nüsse auf die Straße. Wenn die Ampel wieder umspringt, fliegen die Vögel beiseite, um die Nüsse von den Autos knacken zu lassen - man kann das durchaus als eine Art Werkzeugbenutzung ansehen, die in dieser Form nicht in der Natur angetroffen wird. Dieses Verhalten wird seit den 1990ern beobachtet. Möglicherweise haben die Krähen beobachtet, wie Autos zufällig über herabgefallene Nüsse gefahren sind und haben ihre eigenen Schlüsse daraus gezogen.

Eine andere Krähenart auf Neu Kaledonien ist bekannt dafür, dass sie verschieden geformte Äste benutzen, um Maden aus hohlen Baumstämmen zu holen. Dabei verlassen sich die Krähen aber nicht auf den Zufall um einen geeigneten Ast zu finden, sondern benutzen ihre Schnäbel, um das Werkzeug für ihre Zwecke anzupassen. Derzeit steht aber noch nicht fest, ob dieses Verhalten sich im Laufe der Evolution herausgebildet hat, oder ob es tatsächlich erlernt ist.

Dass Vögel in der Lage sind, schnell zu lernen, zeigt ein weiteres Beispiel aus Japan, wo Kuckucks angefangen haben, ihre Eier in die Nester von Elstern zu legen, zunächst fiel die Population dramatisch, aber nach nur zehn Jahren hatten die Elstern gelernt, die falschen Eier zu erkennen, und der Bestand erholte sich wieder.

Der Kea in Neuseeland scheint sogar zu spielen, ein Verhalten, das - wenn es sich nicht nur auf das Training instinktgesteuerter Verhaltensmuster bezieht - auch ein Zeichen von Intelligenz sein kann. Keas machen z. B. Klingelstreiche und lassen Steinchen auf Häuserdächer fallen, nur um zu sehen, wie die Bewohner nach draußen rennen, und sie nehmen fast alles auseinander, was ihnen zwischen den Schnabel kommt.

Alle diese Tiere, von den Primaten über Wale und Delfine bis hin zu den Vögeln, sind soziale Tiere, die in Gruppen leben. Diese soziale und emotionale Umgebung könnte die Entwicklung von intelligentem Verhalten befördert haben, doch das trifft nicht auf alle Tiere zu, die intelligent zu sein scheinen.

Der Oktopus ist ein Einzelgänger und im Gegensatz zu den bisher betrachteten Tieren hat er auch nur eine Lebenserwartung von etwa zwei Jahren, trotzdem bringt sein Gehirn durchaus die Voraussetzung mit, die auf die Fähigkeit zu Intelligenz schließen lassen. Er verfügt im Verhältnis zu seiner Körpergröße über ein großes Gehirn und dessen Struktur mit großen Frontallappen, welche für die Speicherung gelernter Information zuständig sind, lässt auf eine angeborene Intelligenz und die Fähigkeit zum Lernen schließen.

Beobachtungen haben ergeben, dass auch Kraken planvoll handeln und sogar spielen.

Wenn ein Oktopus eine Muschel öffnen möchte, stehen ihm verschiedene Strategien zur Verfügung, er kann die Muschel mit seiner Muskelkraft öffnen, sie mit dem Schnabel kaputt machen oder sogar ein Loch hineinbohren, er entscheidet das je nach Bedarf.

Kraken können einen Wasserjet ausstoßen, um sich fortzubewegen, aber sie setzen ihn auch zur Verteidigung ein oder, um ihren Unterschlupf zu reinigen. Aber manchmal spielen sie auch damit. In einem Experiment wurde eine leere Pillendose ins Wasser gelegt, um zu sehen, wie die Kraken darauf reagieren. Die meisten untersuchten das Ding kurz und interessierten sich nicht weiter dafür, aber einer pustete es wiederholt mit seinem Wasserstrahl in Richtung Wassereinlass, von wo es zu ihm zurückgetrieben wurde.

Die Intelligenz einer Spezies zu bestimmen, ist generell keine leichte Aufgabe, denn sie hängt auch mit der Persönlichkeit des jeweiligen Individuums zusammen und auch wenn es noch so schlau ist, ein gelangweiltes Tier wird in einem Test schlechter abschneiden als ein motiviertes.

Die Tiere sind uns näher, als wir denken, und die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier erscheint zunehmend eine willkürliche Trennung zu sein. Der Mensch ist vielleicht auch nur ein Tier, wie alle anderen.


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