Wenn eine Rakete startet oder ein Düsenjet eine enge Kurve fliegt, wirken hohe Kräfte auf den Astronauten bzw. Piloten. Diese Beschleunigungskräfte (oder g-Kräfte) können den Piloten in seinen Sitz drücken und das Blut in die Beine sacken lassen, das kann bis zur Bewusstlosigkeit des Menschen führen.
Das Herz leistet in einer solchen Situation Schwerstarbeit, denn es versucht das Blut gegen die g-Kräfte durch den Körper zu pumpen, schafft es dies nicht mehr, so kommt es zu einer Sauerstoffunterversorgung, die sich mit Tunnelblick ankündigt und bis zur Bewusstlosigkeit (g-LOC, g-induced loss of consciousness) führen kann. Für einen Flugzeugpiloten bedeutet das, dass er die Kontrolle verliert.
Astronauten müssen während des Starts der Rakete Kräfte bis zum Dreifachen der Erdanziehungskraft (3 g) aushalten, das ist am besten im Liegen zu überstehen. Piloten beim Militär oder beim Kunstflug haben diesen Luxus nicht, sie sitzen in ihren Maschinen und müssen bis zum Zehnfachen der Erdanziehungskraft überstehen.
Und auch beim Wiedereintritt einer Raumkapsel in die Erdatmosphäre wirken hohe Kräfte, wenn die Luft den Fall der Kapsel abbremst. In einem Fall mussten die Astronauten in einer Soyuz-Kapsel ebenfalls Kräfte von 10 g während einer rauen Landung überstehen.
Es ist also von größter Wichtigkeit, zu verhindern, dass die Menschen die Kontrolle verlieren. Man erreicht das mit Druckanzügen. Diese Anzüge arbeiten heutzutage in vielen Fällen mit einem Luftkammersystem, damit wird Druck auf die Beine ausgeübt, damit das Blut sich dort nicht stauen kann. Unterstützt werden kann dieser Prozess durch den Piloten, wenn er Muskeln im Bauchraum anspannt, und durch die Pressatmung.
Die ersten Versuche mit einer Entwicklung von Wilbur R. Franks von der Universität Toronto erfolgten noch nicht mit Luft, sondern mit Wasser. 1944 wurden die ersten Anti-g-Hosen von der United States Army Air Force und der Royal Canadian Air Force getestet. Das Wasser war den Piloten allerdings zu kalt und deshalb stieg man auf komprimierte Luft um. Es zeigte sich schnell, dass Piloten mit Druckanzügen bessere Kontrolle über ihre Flugapparate hatten und in Luftschlachten erfolgreicher waren.
In der Weiterentwicklung kamen Westen und Socken hinzu, die ebenfalls mit Luftkammern ausgestattet waren. So ist es einem Piloten heute möglich, auch bei bis zu 9 g bei Bewusstsein zu bleiben und das Flugzeug unter Kontrolle zu halten.
Der Druck in den Kammern ist allerdings nicht konstant, sondern wird automatisch an die Umgebungsbedingungen angepasst, und genau da liegt auch ein Problem mit den luftbefüllten Kammern. Weil die Luft komprimierbar ist, dauert es einen Moment, um den nötigen Druck aufzubauen, der das Blut wieder in den Körper zurückfließen lässt.
Einige Flugzeuge wie die spanischen und kanadischen F/A-18 begrenzen die Maximalbelastung deshalb auf 7 g und die MiG-29 hat einen Panik-Knopf, der das Flugzeug wieder in eine normale Fluglage bringt, die Flugzeuge können also nicht bis an die Grenzen ihrer Technik genutzt werden, was im Ernstfall von Nachteil sein kann.
An dieser Stelle hat der flüssigkeitsgefüllte Anzug einen deutlichen Vorteil, denn das Wasser übt stets einen Gegendruck auf den Körper aus, der durch den Auftrieb zustande kommt und dadurch, dass auf die Flüssigkeit die gleiche Beschleunigung wirkt wie auf den Piloten (hydrostatische Kompensation).
Man kann sich das so vorstellen, dass der Pilot auf dem Flüssigkeitspolster (man spricht hier von "künstlichen Muskeln", flüssigkeitsgefüllten Schläuchen, die sich an Vorder- und Rückseite des Körpers, sowie an den Armen befinden) schwimmt, welches die entstehenden Kräfte auffängt. Pressatmung und Muskelarbeit des Piloten sind mit diesem Prinzip nicht mehr erforderlich.
Auch die Libelle macht sich dieses Prinzip zunutze. Ihre Organe sind ebenfalls flüssigkeitsgelagert und damit kann das Insekt Beschleunigungen von bis zu 30 g unbeschadet überstehen.
Es ist also kein Wunder, das der LIBELLE G-Multiplus® dieses Tier zum Namensvetter hat. Der Anzug wurde in der Schweiz von der Firma Life Support Systems AG entwickelt und wird von der Autoflug GmbH im deutschen Rellingen gefertigt. In der neuesten Entwicklung werden lediglich 1,1 Liter benötigt (angefangen hat man 1988 mit 28 Litern), um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Neben der Wirkung ohne Verzögerung ist der größte Vorteil, dass das System völlig autonom arbeitet und so in unterschiedlichsten Maschinen eingesetzt werden kann, zum Beispiel auch beim Red Bull Air Race, wo jeder Pilot einen maßgeschneiderten Anzug erhält. Die individuelle Anfertigung ist auch nötig, da die Libelle ihre Wirkung nur effektiv entfalten kann, wenn er gut sitzt.
Zugelassen ist der Anzug derzeit bis zu einer Belastung von 9 g und erlaubt damit dem Menschen, die technischen Grenzen auch auszureizen. Ein Problem bleibt allerdings immer die Halswirbelsäule, die mit keinem der vorgestellten Systeme vor den hohen Belastungen geschützt werden kann, auf die Wirbel wirken Belastungen von bis zu 63 kg, was zu Wirbelbrüchen führen kann, da hilft nur spezielles Muskeltraining.
In der Zukunft könnte die Flüssigkeitslagerung noch ganz andere Anwendungsgebiete erschließen, denn wenn man darüber nachdenkt, das Sonnensystem mit bemannten Flügen zu erforschen, so würde sogar die Reise zum Mars, unseren nächsten Nachbarn, viele Monate dauern. Erhöht man allerdings die Beschleunigung, dann könnte die Reisezeit auf einige Wochen heruntergeschraubt werden.
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How can astronauts withstand high g-forces?
G-suit (Wikipedia)