Wahrnehmung und Bewusstsein II

Die klassische Physik beschreibt Planetenbewegungen und ähnliches - wenige Körper, die sich nach den Newtonschen Gesetzen bewegen. Da ist eigentlich kein Platz für Bewusstsein aber zum Glück haben wir die Quantenmechanik, die statt dessen bemüht werden kann, um zu zeigen das die Summe von Teilchen mehr ist als die Einzelteile. Doch diese Analogie ist in bezug auf das Gehirn nicht richtig durchdacht.

Zunächst stimmt es natürlich, dass verschränkte Teilchen - solche die sich in einem gemeinsamen Quantenzustand befinden - in einer gemeinsamen Zustandsfunktion - welche die Eigenschaften des Teilchens beinhaltet - beschrieben werden, die aber keine Aussage mehr die einzelnen Teile macht. Insofern ist die Verschränkung aber nicht mehr als die Summe der Teile, sondern schlicht etwas anderes, nämlich der gemeinsame Zustand.

Überträgt man diese Analogie auf das Gehirn und sein Bewusstsein, so ist ein einzelnes Neuron selbstverständlich nicht als ein Bruchstück des Bewusstseins zu identifizieren, aber auch das ganze tote Gehirn ist nicht das Bewusstsein, das kommt erst im lebenden Gehirn durch die Aktivität der Neuronen zustande.

Diese Aktivität ist aber keine Verschränkung elementarer Neuronenaktivität, sondern die Summe der Elementarzustände der einzelnen Neuronen. Ein neuronales Netz ist kein quantenmechanischer Zustand, aber man kann Zustandsänderungen in diesem Netz ebenfalls mit Formalismen aus der Quantenmechanik beschreiben. Man beschreibt hier aber etwas völlig anderes, als eine Gruppe von Teilchen, die den selben Zustand einnehmen. Quantenmechanische Prozesse sind in einem warmen und feuchten Medium wie unserem Gehirn in Wirklichkeit zu vernachlässigen, weil sie nicht lange genug bestehen bleiben.

Statt dessen könnte man ein bestimmtes Muster der Neuronenaktivität als einen Zustand identifizieren und es gibt sicher Übergänge von dem einen Gedanken zum anderen in denen so etwas wie eine Überlagerung beider Muster vorhanden ist. Was dabei rauskommt, wenn in einem realen Gehirn eine solche Verschränkung zweier Gedanken passiert ist schwer zu beurteilen, vielleicht springt ja eine geniale Idee dabei raus, das sind ja häufig Kombinationen auf die zuvor noch kein anderer gekommen ist.

Besonders deutlich wird diese Überlagerung vielleicht bei bestimmten Trugbildern und optischen Täuschungen wenn man sich sogenannte Kippbilder anschaut, die vom Gehirn auf zwei unterschiedliche Arten interpretiert werden können - z.B. eine Vase vs. zwei Gesichter usw. - obwohl sich die Bildinformation natürlich nicht ändert.

Durch die Aufteilung des Gehirns in funktionelle Areale, die sich mit unterschiedlichen Aufgaben beschäftigen wäre es vielleicht sogar sinnvoll den Gesamtzustand des Gehirns als die Summe der Zustände dieser Areale zu bezeichnen, während die einzelnen Areale wieder funktionelle Bereiche besitzen, die sich mit spezifischen Aufgaben beschäftigen usw., letztendlich muss man dann den Zustand des einzelnen Neurons berücksichtigen, der abhängig vom Input der anderen Neuronen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einen anderen Zustand übergeht.

Durch die Trennung der Areale kann man schließlich einen Fuß vor den anderen Setzen und gleichzeitig mit einem Freund reden ohne zwischen jedem Schritt eine Pause zu machen - aber tatsächlich gerät sogar der Schritt manchmal ins Stocken, wenn man intensiv diskutiert, es ist halt alles verknüpft.

Und so ist es wahrscheinlich auch nicht möglich dem Bewusstsein einen bestimmten Ort im Gehirn zuzuweisen, weil für die Erfahrung des Bewusstseins das ganze Gehirn verantwortlich zeichnet. Was auch durch Studien an Komapatienten belegt wird, bei den die Verknöpfungen zwischen unterschiedlichen funktionellen Arealen reduziert ist. Diese fehlende Zusammenarbeit der Gehirnregionen könnte damit eine Ursache für die Bewusstlosigkeit sein.

Bewusstsein ist damit ein Teil der Verarbeitung im Gehirn, es entsteht aus der Verknüpfung von Wahrnehmung, Wissen und Erfahrung. Genau wie wir einen sprechenden Menschen nicht getrennt von seinen Worten, sondern als Einheit wahrnehmen - es sei den der Film ist schlecht synchronisiert - so werden auch die Worte mit ihren Bedeutungen als Verknüpft wahrgenommen. Hören wir das Wort Stuhl und nehmen es als Repräsentation aller unserer Erfahrungen mit Sitzmöbeln, die keine Sessel sind wahr.

Was diese Verknüpfung bewirkt, die uns den Bewusstseinseindruck als Einheit wahrnehmen lässt ist noch nicht ganz klar, aber bei der Verknüpfung von Sinneseindrücken scheint die hochfrequente Kommunikation von Neuronen über sog. Gap-Junctions - direkte elektrische Verbindungen zwischen Neuronen, im Gegensatz zu den chemisch arbeitenden Synapsen, die sich im EEG als 100 - 200Hz schnelle, sogenannte Gammawellen zeigen - eine entscheidende Rolle zu spielen. Vielleicht sind derartige Vorgänge auch beim Bewusstsein von Bedeutung, denn sie verschwinden bei der Vollnarkose, bei der das Bewusstsein bekanntlich ausgeschaltet wird.

Wir sehen also nicht einfach ein Gesicht als Muster von Farben. In unserem Gehirn ist dieses Muster - das durch die Synchronisation mit den Gammawellen zeitlich codiert und damit als Einheit vorliegt - mit anderen Erfahrungen verknüpft, mit Menschen die wir kennen oder bei Fremden sind vielleicht einzelne Merkmal mit Vorurteilen verbunden oder schlechte Zähne wirken einfach nur abstoßend. Die Verbindung aller dieser Eindrücke kommen sie nun von den Sinnen oder internen Verbindungen schaffen gemeinsam das Bewusstsein.

Aber natürlich richtet sich das Bewusstsein nicht nur auf die Verarbeitung äußerer Eindrücke auch unsere Gedanken können wir bewusst wahrnehmen, der einzige Unterschied ist dabei, dass hier nicht auf Sinneseindrücke angewiesen sind, sondern auch Erfahrungen unabhängig mit anderen Erfahrungen und Wissen verknüpfen können. Ohne diese Erfahrungen ist auch Bewusstsein nicht möglich, deshalb muss jemand der von Geburt an Blind war, erst lernen Farben zu sehen, bevor er sie bewusst wahrnehmen kann.

Und das was wir Selbstbewusstsein nennen ist in diesem Modell des Bewusstseins eigentlich nur die Vorstellung, die wir Aufgrund unserer Erfahrungen und unseres Wissens von uns selbst haben. Wenn man sich im Spiegel betrachtet verknüpfen wir das Wissen, dass wir den Arm heben, mit dem Sinneseindruck eines sich hebenden Armes im Spiegel mit dieser Vorstellung und schließen daraus, dass die Person im Spiegel ein Abbild von uns ist.

Ob man nun Bewusstsein oder Unterbewussten betrachtet macht in gar keinen großen Unterschied, beide verarbeiten Reize, ob die nun von Außen oder Innen kommen ist gleichgültig. Der einzige Unterschied ist, dass Bewusstsein mit Aufmerksamkeit gepaart ist.

Aber Aufmerksamkeit ist kein Werkzeug des Bewusstseins, sondern lediglich ein Mechanismus im Gehirn der Reize nach verschiedenen Kriterien - auch die sind z.T. erlernt - sortiert. Reize, welche die Aufmerksamkeit erhalten, werden schließlich bewusst wahrgenommen und können gesondert von Gehirn bearbeitet werden. Als Beispiel kann vielleicht dieser Artikel dienen. Es erfordert meine Aufmerksamkeit, um mich auf diesen Gedankengang zu konzentrieren, das Kriterium hierfür ist mein Interesse an dem Thema.

Die Fähigkeit einen Gedanken im Bewusstsein zu halten ist also nicht eine Leistung des Bewusstseins, sondern nur eine Frage wie lange man in der Lage ist die Aufmerksamkeit an einem Punkt zu halten und das ist eine Sache der Informationsverarbeitung, nämlich wie lange es dauert, bis andere Reize Kriterien erfüllen, die sie zum Zentrum der Aufmerksamkeit machen, zum Beispiel die Musik im Radio.

Schließlich ist die Information aufgenommen bewertet und der Fokus verschiebt sich zurück zu diesem Artikel, weil der Gedankengang der Ablenkung überlegen ist - vielleicht weil die Synchronisation der entsprechenden neuronalen Muster überwiegt.


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BeitragvonDatumAntworten Letzte Antwort
Physik und BewusstseinKlaus07.06.2013
00:20 Uhr
1Antwort: Physik und Bewusstsein (Marcus)
07.06.2013 07:28 Uhr

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