Laut Einstein ist Zeit relativ und lediglich eine weitere Koordinate im Raumzeitkontinuum, aber das wird unserer Wahrnehmung der Zeit kaum gerecht. Während wir uns drei Raumdimensionen noch einigermaßen vorstellen können, ist es fast unmöglich, sich einen Zeitabschnitt vorzustellen.
Trotzdem wird Zeit mehr oder weniger als Fluss empfunden, der von der Vergangenheit in die Zukunft weist und von dem die Gegenwart wahrgenommen wird. Diese Gegenwart umfasst in unserem Gehirn etwa drei Sekunden, das heißt Ereignisse, die in diese drei Sekunden fallen, werden von uns als gegenwärtig wahrgenommen, und das ist sogar sinnvoll um Ereignisse in der Wahrnehmung zueinander in Beziehung zu setzen.
Aber das trifft nicht für alle Menschen zu, Metod Saniga vom astronomischen Institut der slovakischen Wissenschaftsakademie untersucht die Wahrnehmung der Zeit bei Schizophrenen, welche die Zeit als aufgehoben, still stehend oder sogar rückwärts laufend wahrnehmen. Saniga hat bei seinen Studien festgestellt, dass die Wahrnehmung von Raum und Zeit fest im Gehirn verdrahtet ist, und als verbunden wahrgenommen werden. So wird der Raum z. B. als zweidimensional wahrgenommen, wenn die Zeit anzuhalten scheint oder als unendlich dimensional in Fällen, bei denen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als gleichzeitig gesehen werden. Und auch bei Nahtoderfahrungen und tiefer Meditation scheint die Zeit ihre Bedeutung zu verlieren. Diese Erfahrung kann so tief gehen, dass sie das Leben der Betroffenen tief greifend verändern kann.
Aber all dies macht nur Aussagen darüber, wie unser Gehirn die Zeit wahrnimmt und macht nicht wirklich eine Aussage darüber, was Zeit ist und wie man sie beschreiben kann. Unser Gehirn musste im Laufe seiner Entwicklung Wege finden, Erfahrungen und Eindrücke zu verarbeiten und in Zusammenhang zu stellen, die in Vergangenheit und Gegenwart stattfinden und sich in die Zukunft fortsetzen. Offensichtlich ist die Aufteilung in diese drei Abschnitte ein Erfolg versprechendes Konzept dafür.
Die physikalische Beschreibung der Zeit auf der anderen Seite ist etwas völlig anders. Ob Zeit ein Kontinuum ist, oder aus diskreten Punkten besteht ist noch gar nicht abschließend geklärt.
Von der Energie weiß man, dass sie in diskreten Paketen, den Lichtquanten, vorkommt. Bei Raum und Zeit reichen die Energien noch nicht aus, um diese Frage zu klären, aber astronomische Beobachtungen scheinen diese Vermutung nicht zu bestätigen.
In der Veröffentlichung "Time and Classical and Quantum Mechanics: Indeterminacy vs. Discontinuity" spekuliert Peter Lynds über die physikalische Natur der Zeit. Seiner Vorstellung nach ist die Position eines Körpers in der Zeit nicht absolut festgelegt, sonder im Fluss, sodass gar nicht festlegen kann, dass der Körper zu einem festen Zeitpunkt einen bestimmten Ort im Raum einnimmt. Lynds glaubt, mit dieser Lösung auch Zenos Paradoxien auflösen zu können.
Laut Zeno von Elea kann Achilles, der schnellste Läufer Griechenlands niemals eine Schildkröte beim Wettlauf schlagen, bei dem die Schildkröte einen Vorsprung von 10 Metern hat. Das liegt laut Zeno daran, dass Achilles zuerst die 10 Meter zurücklegen muss, aber in dieser Zeit ist die Schildkröte schon wieder einen Meter weiter. Also muss Achilles erst wieder diesen Meter zurücklegen, aber dann ist die Schildkröte auch schon wieder 10 cm weiter und Achilles schafft es nicht einmal, die Schildkröte zu überholen.
Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass ein Haken daran sein muss, denn in der Realität ist es in der Regel kein Problem eine Schildkröte beim Wettlauf zu schlagen.
Aber dann kann etwas mit unserem Bild der Zeit nicht stimmen, denn wenn sie aus diskreten Momenten besteht, müsste Zenos Gedankenexperiment zutreffen. Lynds löst das Paradox, indem er sagt, dass ein bewegter Körper auch zu jedem Augenblick in Bewegung ist und seine Position niemals auf einen diskreten Punkt in der Raumzeit festgelegt werden kann.
Das hört sich im ersten Moment seltsam an, aber wenn man sich die Unschärferelation aus der Quantenmechanik in Erinnerung ruft, ist es nicht mehr so weit hergeholt. Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass man Energie und Zeit, bzw. Ort und Impuls niemals gleichzeitig mit beliebiger Präzision messen kann. Stößt man nun in die Dimension der Zeit vor, so ist sie genauso verschwommen, wie der Ort und man kann tatsächlich nicht feststellen, wo genau sich ein Körper zu einer bestimmten Zeit befindet. Man kann lediglich eine Aussage darüber machen, wie wahrscheinlich es ist, dass er sich zu einer bestimmten Zeit an einem festgelegten Ort befindet und das reicht schon aus, um Zenos Paradox aufzulösen.
Achilles kann die Schildkröte einfach deshalb überholen, weil er sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon überholt hat. Diese Wahrscheinlichkeit ist kleiner, je weiter hinten sich Achilles befindet, aber sie wächst je näher er ihr kommt.
Ein weiteres Problem mit der Zeit ist, dass wir sie nicht messen können. Natürlich geht unser Blick jetzt zur Uhr, aber was da angezeigt wird, sind nur Intervalle, die durch Schwingungen festgelegt sind. Entweder schwingt ein Pendel, ein Quarz oszilliert oder bei der Atomuhr werden Schwingungen von Atomen gemessen. All dies liefert uns aber nicht eine Zeit, ganz gleich, wie genau wir die Schwingung beobachten, es ist nur eine Zahl. Und das setzt sich sogar auf den Raum fort, denn auch diesen können wir nur messen, indem wir einen Maßstab anlegen, wenn es genau sein soll, nehmen wir dazu Licht, dessen Geschwindigkeit wir kennen (sie ist exakt festgelegt und diese Definition hat das Urmeter in Paris abgelöst) und schauen, wie viel Zeit das Licht braucht, um die zu messende Strecke zurückzulegen.
Damit lassen sich Raum und Zeit nur noch in Beziehung zum Licht festlegen, wie Einstein es in seiner Relativitätstheorie abgeleitet hat, und das Licht selbst ist eine Schwingung, deren Ausbreitungsgeschwindigkeit wir mehr oder weniger willkürlich festgelegt haben. Im Grunde stehen wir damit vor einem Dilemma, wir können beim besten Willen keine Aussage über einen absoluten Raum oder eine absolute Zeit machen, weil beide nur in Beziehung zueinander und der Lichtgeschwindigkeit von Bedeutung sind.
Trotzdem bleibt die Frage, wie die Zeit entstanden ist und vor allem, warum sie nur in eine Richtung zu fließen scheint. Das die Zeit nicht fließt sollte inzwischen klar geworden sein, trotzdem scheint es eine bevorzugte Richtung zu geben, wie sich Objekte durch diese vierte Dimension bewegen. In der Regel wird die Entropie - ein Maß für die Unordnung - für diese bevorzugte Richtung verantwortlich gemacht, die Thermodynamik besagt, dass sie immer zunimmt. Viel bedeutsamer könnte aber eine Form der Symmetriebrechung sein. Wie wir wissen, besteht unser Universum aus sehr viel mehr Materie als Antimaterie, diese ungleiche Verteilung könnte auf dieselbe Asymmetrie zurückzuführen sein, die auch dafür sorgt, dass die Zeit im Großen und Ganzen eine bestimmte Richtung bevorzugt.
Zeitreisen scheinen damit ausgeschlossen zu sein, aber das gilt nur für den direkten Weg, geht man vorwärts in die Vergangenheit sieht das schon wieder ganz anders aus, aber das ist eine andere Geschichte.
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